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Der Schweizer Investor Marc Faber erzählt „Barron’s“ warum er Ben Bernanke eigentlich dankbar sein müsste, dass die Vermögenden bald Sündenböcke sein werden und warum Gold gerade jetzt ein Kauf ist.

Marc Faber gilt gemeinhin als Pessimist, seine Trademark ist der Crash. Allerdings setzt er nicht nur auf fallende Kurse und wartet bis der Markt kollabiert. Nein, der gebürtige Schweizer ist ein sehr wacher Investor und investiert auch gerne in Sektoren, die eigentlich durch Fehlentwicklungen des Systems getrieben werden. Schließlich möchte er Geld verdienen. Seine aktuelle Einschätzung teilte er dem US-Magazin „Barron’s“ mit. „Ich besitze Aktien und sollte Herrn Bernanke deshalb dankbar sein. Die Fed hat das Finanzsystem mit Geld überflutet“, erklärt Faber. Das Problem sei allerdings, dass dieses Geld ungleichmäßig in das System fließe. „Die Geldflut führt keineswegs dazu, dass die ökonomische Aktivität und die Preise der Vermögenswerte gleich zunehmen. Stattdessen lässt sie gefährliche Schieflagen zwischen den Volkswirtschaften und den unterschiedlichen Vermögenswerten entstehen. “ Seiner Auffasung nach, führte die übermäßig lockere Geldpolitik in den USA bereits zur kolossalen Aktienmarktblase 2000, auch nährte sie die Blase am US-Häusermarkt, die 2008 platzte, und die nachfolgende Rohstoffblase. Aktuell fließe das Geld in den Luxusgütermarkt – in Dinge wie Aktien, Anleihen, Kunst, Wein, Schmuck und Luxusimmobilien. Von der Politik des leichten Geldes profitierten laut Marc Faber allerdings vorwiegend jene, die in der Nähe des Geldstroms tätig sind. „Die Arbeiter in der Pleite-Stadt Detroit oder auch die große Mehrheit der Mittelklasse haben rein gar nichts davon. Die Woge leichten Geldes lässt lediglich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufgehen. Die Mehrheit verliert, eine Minderheit profitiert. Ich profitiere von dieser Politik genauso, aber als Ökonom und Beobachter mit sozialem Gewissen kann ich das nicht gutheißen.“

Die Reichen werden die Sündenböcke sein

Marc Faber erwartet jedoch irgendwann den großen Umbruch. „In den Demokratien der westlichen Welt wird man die Besitzenden zum Sündenbock machen. Es kam in der Geschichte immer wieder vor, dass eine Minderheit ins Kreuzfeuer gerät. Früher oder später wird es viel böses Blut geben, und dann kann es recht ungemütlich werden für die Wohlhabenden.“ „Wenn man sich die Geschichte anschaut, so folgt einem wachsenden Wohlstandsgefälle unweigerlich eine Korrektur, entweder auf friedlichem Weg durch höhere Steuern oder gewaltsam“. Marc Faber bezweifelt zwar, dass es in der westlichen Welt eine Revolution geben wird, aber die europäischen Wähler werden sich seiner Einschätzung zufolge gegen die Arroganz der Bürokratie zur Wehr setzen. „Es gibt in Europa Skandale ohne Zahl – im Zusammenhang mit französischen Politikern, Schweizer Bankkonten und so weiter.“

Faber rät zu Gold

Faber ruft gegenüber „Barron’s“ auch die Geschehnisse in Zypern noch einmal in Erinnerung: „Viele Investoren haben die Folgen der Geschehnisse in Zypern noch nicht begriffen. Das Geld ist bei den Banken nicht mehr sicher. Wenn wieder ein Staat gerettet werden muss, werden die privaten Anleger zur Kasse gebeten“. Daher wird der Schweizer Investor nicht müde, Gold als Kriseninvestment zu empfehlen. „Gold notiert 30 Prozent unter dem Allzeithoch, trotz dieses Rückgangs hat es aber seit 1999 alle anderen Vermögenswerte klar abgehängt. Persönlich halte ich ein Viertel meines Kapitals in Gold und kaufe monatlich zu. Ich halte den Großteil meines Goldes in Schließfächern in der Schweiz. Derzeit verlagere ich aber Teile nach Asien. Ich will nicht meine gesamten Vermögenswerte im Bankensystem angelegt haben. Wenn die Blase platzt, sind Finanzwerte besonders verletzlich.“ Einen weiteren Krisenherd ortet Faber in China, wo es aktuell eine riesige Kreditblase gibt. „Die Sache wird nicht gut ausgehen. Offiziell wuchs die chinesische Wirtschaft zwar im ersten Quartal um 7,7 Prozent. In Wirklichkeit aber liegt das jährliche Wachstum bestenfalls bei vier Prozent. Die Exportzahlen, die China für Länder wie Taiwan, Südkorea, Hongkong und Singapur angibt, stimmen nicht mit den Importzahlen dieser Länder überein.“

Originalartikel Format

Deutschlands bekanntester Ökonom Hans-Werner Sinn fürchtet wegen des demografischen Wandels einen Verteilungskonflikt. Er rechnet vor, dass die Rentenbeiträge um bis zu 50 Prozent steigen müssten

Hans-Werner Sinn hat sich von der Öffentlichkeit zurückgezogen – zumindest temporär. Denn gegenwärtig arbeitet Deutschlands bekanntester Ökonom an der englischen Neufassung seines letzten Bestsellers „Die Target-Falle“. Das heißt: Für die Medien steht er nicht zur Verfügung und seine Mitarbeiter dürfen sich nur mit den wichtigsten Anliegen bei ihm melden. Das Interview mit der „Welt“ ist deshalb eine große Ausnahme und findet in Leipzig statt: Dort verleiht die Handelshochschule Leipzig Sinn die Ehrendoktorwürde. Die Schreibe-Klausur hat den Präsidenten des Ifo-Instituts nicht milder gestimmt. Er kritisiert die Politik genauso scharf wie immer. Besonders in Bezug auf die Euro-Krise.

Die Welt: Herr Sinn, Probleme in Portugal, Griechenland und Zypern beunruhigen die Märkte. Ist die Euro-Krise wieder da?

Hans-Werner Sinn: Die Euro-Krise war nie verschwunden, auch wenn viele Bürger das gedacht hatten. Es hat nur eine enorme Verschiebung von Lasten und Risiken stattgefunden: Von den Kapitalanlegern aus aller Welt zu den Steuerzahlern der noch gesunden Euro-Länder, die hinter der Europäischen Zentralbank (EZB) stehen. Die Finanzmärkte haben sich beruhigt, weil die Steuerzahler in die Haftung genommen wurden.

Die Welt: Trotzdem müssen Sie doch zugeben, dass die Ankündigung von EZB-Präsident Draghi, notfalls Anleihen der Krisenstaaten zu kaufen, das sogenannte OMT-Programm, die Märkte beruhigt hat.

Sinn: Klar hat es das. Aber die Steuerzahler hätten allen Grund, beunruhigt zu sein. Im Gegensatz zu den Finanzanlegern sind sie gutgläubig und vertrauen auf den Staat. Deswegen lässt sich die Lage beruhigen, wenn man sie zu Gunsten der Finanzanleger belastet. So ist das politische Geschäft. Die Umverteilung von den Gutgläubigen zu den Cleveren beruhigt die Lage. Deshalb ist es gut, dass das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden wird, ob das angekündigte Anleihenkaufprogramm verfassungskonform ist. Ich gehe davon aus, dass die Richter das OMT für verfassungswidrig erklären werden.

Die Welt: Aber die deutschen Verfassungsrichter können doch gar nicht über die Politik der EZB entscheiden.

Sinn: Das stimmt. Das Gericht kann zwar die Bundesbank verpflichten, nicht mehr mitzumachen, aber wenn die anderen Zentralbanken Schrottanleihen kaufen und darauf sitzen bleiben, trägt die Bundesbank die Lasten trotzdem anteilig mit. Ich glaube indes, dass ein negatives Urteil des Bundesverfassungsgerichts die politische Atmosphäre verändern und die EZB dann doch veranlassen würde, von ihrer Politik abzulassen, was manche Krisenländer zu echten Reformen zwingen würde. Das Verfassungsgericht hat im Übrigen noch mehr Möglichkeiten. Es kann dem Bundestag die Auflage machen, Mittel des Rettungsschirms ESM nur dann freizugeben, wenn die EZB sich zuvor von ihrem Programm verabschiedet. Oder es kann die Bundesregierung verpflichten, den Maastrichter Vertrag neu zu verhandeln.

Die Welt: Wäre das nicht der Anfang vom Ende der Euro-Zone?

Sinn: Das kann sein. Ich halte es aber für wahrscheinlicher, dass das Urteil den Euro stärkt, weil es die Kompetenzüberschreitung der EZB beendet. Die rechtliche Basis des Euro würde gestärkt, und letztlich wäre das auch für die ökonomische Funktionsfähigkeit besser. Das System der lockeren Budgetbeschränkungen, das zugunsten einzelner Länder heute praktiziert wird, ist nicht mit einem funktionsfähigen europäischen Wirtschaftsraum kompatibel. Der Euro wird auf Dauer zerstört, wenn die Politik darauf besteht, dass kein Land den Euro verlassen kann und dass Länder durchfinanziert werden, die sich nicht an die Regeln halten. Genau das ist aber gegenwärtig die Botschaft an die Märkte. Der Euro kann langfristig nur überleben, wenn Länder austreten können, die nicht in die Währungsunion passen.

Die Welt: Griechenland wird häufig als Austritts-Kandidat genannt, will aber im Euro bleiben.

Sinn: Natürlich. Griechenland will im Euro bleiben, weil es sich im Euro das Geld drucken kann, für das es auf den Märkten hohe Zinsen zahlen müsste. Außerdem fließen noch weitere Hilfsgelder über die offenen Rettungsschirme. Diese Mittel sind der griechischen Regierung offenbar wichtiger als Arbeitsplätze für ihre Bevölkerung.

Die Welt: Glauben Sie, dass es nach der Bundestagswahl einen zweiten Schuldenschnitt für Griechenland geben wird? Athen scheint davon auszugehen.

Sinn: Griechenland ist außerstande, seine Schulden zurückzuzahlen, wie die verschiedenen Zinsstundungen und Streckungsaktionen des letzten Jahres gezeigt haben, und wenn es doch gelegentlich alte Schulden zurückzahlt, dann nur immer mit neuen Schulden. Es ist an der Zeit, dieses unsinnige Spiel zu beenden. Man sollte Griechenland einen Teil seiner Schulden erlassen, ihm dann aber keine neuen Kredite beim EZB-System oder der Staatengemeinschaft mehr gewähren. Dann tritt es aus, wertet ab, wird wettbewerbsfähig, und die jungen Leute sehen endlich einmal wieder eine Chance, am Arbeitsleben teilzuhaben.

Die Welt: Im Wahljahr sagen die Unternehmen, dass ihnen die demografische Entwicklung weit mehr Sorgen macht als die Euro-Krise. Ist die Furcht gerechtfertigt?

Sinn: Ja, die demografische Entwicklung ist eine große Gefahr für den Wohlstand einer ganzen Generation. Die deutschen Babyboomer sind jetzt knapp 50 Jahre alt, und die Jahrgänge danach sind immer dünner besetzt. Das merken die Firmen bereits jetzt, wenn sie Facharbeiter suchen. Wenn die Babyboomer in 15 bis 20 Jahren in die Rente gehen, werden alle Bürger die Auswirkungen der geringeren Geburtenraten spüren. Dann müssen die Steuern oder die Sozialabgaben dramatisch angehoben werden, um die Renten der Babyboomer zu finanzieren, und doch werden diese Renten weit unter dem Niveau liegen, das man erwartet hat.

Die Welt: Kann man bereits jetzt beziffern, wie stark Steuern oder Sozialabgaben steigen müssten, um den demografischen Wandel auszugleichen?

Sinn: Es gibt verschiedene Berechnungen, die alle darauf hinaus laufen, dass die Rentenbeiträge in erheblichem Umfang, vielleicht sogar um bis zu 50 Prozent, steigen müssen, wenn man die Renten nicht antasten möchte. Das trifft die Unternehmen, weil die Arbeitskosten steigen und deutsche Produkte dadurch im Ausland weniger konkurrenzfähig sind. Und es betrifft die Arbeitnehmer, deren Lebensstandard sinkt.

Die Welt: Gibt es eine Alternative zu den höheren Rentenbeiträgen?

Sinn: Natürlich, der Staat könnte auch die Renten entsprechend kürzen. So oder so kommt auf uns ein programmierter Verteilungskonflikt zu. Und dazu kommen noch die Riesenlasten des Euro-Fehlschlags: Lasten, die dadurch entstanden, dass die Staatengemeinschaft und die EZB die privaten Gläubiger der Südländer freigekauft und den Krisenländern über Jahre hinaus neuen Kredit gegeben haben, um die schmerzliche Anpassung ihrer Leistungsbilanzen zu verzögern. Und jetzt sollen ja auch noch die Altlasten in den Bilanzen der südlichen Bankensysteme auf den Rettungsfonds ESM und damit auf die Steuerzahler abgeschoben werden. Das könnte der teuerste Schritt überhaupt werden. Bundesfinanzminister Schäuble ist jetzt der Kragen geplatzt. Ob er es schaffen wird, die Vergemeinschaftung der Lasten noch abzuwehren, weiß ich nicht.

Die Welt: Sie beschreiben ein Horrorszenario.

Sinn: Ja, das ist wohl wahr. Aber der Sachverhalt ist leider allzu offenkundig.

Die Welt: Wie kann die Politik diese Entwicklung abwenden?

Sinn: Bei der Euro-Krise stehen noch viele Entscheidungen an, doch die demografische Krise ist gelaufen, da kann die Politik nichts mehr machen. Zur Abwendung dieser Krise hätten die grundlegenden Entscheidungen in den 80er-Jahren getroffen werden müssen, als Wissenschaftler bereits eindringlich vor dieser gefährlichen Entwicklung gewarnt haben. Heute ist es zu spät. Wir sind jetzt 30 Jahre weiter und haben die vergangenen 30 Jahre verschlafen. Beim demografischen Wandel geht es um ganz langfristige Entwicklungen.

Die Welt: Und die Politik tickt anders…

Sinn: Genau. Die Politik reagiert meist erst, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Sie wird dann also in 15 oder 20 Jahren Maßnahmen für eine höhere Geburtenrate treffen, aber die werden erst eine Generation später greifen. Wenn diese Kinder am Arbeitsmarkt sind, ist es 2050, und dann sind die meisten von uns gar nicht mehr da.

Die Welt: Sie erschrecken mich. Sonst gelten Sie doch als lautstarker Mahner und geben der Politik gerne Ratschläge. Jetzt aber sagen Sie, man könne nichts mehr machen.

Sinn: Ich sage ja nicht, dass man gar nichts mehr machen soll. Natürlich müssen die Geburtenraten steigen, und die Ausbildung für unsere Kinder muss besser werden. Jeder Einzelne sollte in seine eigene Bildung und die seiner Kinder investieren.

Die Welt: Werden wir die Krise überhaupt merken, wenn ganz langsam die Belastungen steigen?

Sinn: Täuschen Sie sich nicht, das wird kein schleichender Prozess sein. Es wird ziemlich knirschen im Gebälk. Schließlich konzentrieren sich die geburtenstarken Jahrgänge auf das Jahrzehnt zwischen 1960 und 1970. Wenn die in Rente gehen, haben wir das Problem.

Die Welt: Haben Sie Angst um ihren eigenen Lebensabend?

Sinn: Nein. Der Höhepunkt der demografischen Krise dürften wir zwischen 2030 und 2035 erreichen, deshalb hören übrigens alle offiziellen Berechnungen etwa von der Bundesregierung immer vor 2030 auf. Ich weiß nicht, ob ich dann überhaupt noch leben werde. Jetzt bin ich 65, und dann werde ich 85 sein. Das Problem dürfte mich persönlich also höchstens am Rande berühren. Ich sorge mich aber um die Generation meiner Kinder und Enkel.

Originalartikel Die Welt

Europa ringt offiziell um die “Bewältigung der Schuldenkrise”: Doch hinter der Überschuldung stehen tiefere Probleme: Alternde Bevölkerungen, sinkende Wettbewerbsfähigkeit und überdehnte Wohlfahrtssysteme. Den Sozialstaaten droht ein Ende wie das der DDR.

In der Schuldenkrise Europas gibt es mittlerweile ein politisches Schönsprech, das so viel mit der Wirklichkeit zu tun hat wie Schokoladen-Werbung mit dem Abnehmen. Die Politik spricht von “Austerität” und “Sparhaushalten”, in Wahrheit aber steigen in allen EU-Ländern die Schuldtürme kräftig weiter. Die Politik lobt “Reformfortschritte”, in Wirklichkeit sinkt die globale Wettbewerbsfähigkeit der meisten Länder bedenklich. Die Politik betont die “Unabhängigkeit der EZB”, tatsächlich aber ist die Zentralbank mit ihren eskalierenden Geldmengen längst ein politischer Mitspieler im großen Schuldenmonopoly geworden. Nun ist die Schönfärberei für Politiker seit jeher ein beliebter Ausgleichssport. Doch es gibt Wahrheiten, die uns spätestens nach der Bundestagswahl einholen werden wie Muskelkater nach zu viel des Sports. Eine davon ist, dass Griechenland seine Schulden immer noch nicht schultern kann und bald einen zweiten Schuldenschnitt braucht. Eine zweite, dass auch Portugal um einen Schnitt nicht herum kommen wird. Die dritte: Frankreich schlittert bei der katastrophal falschen Wirtschaftspolitik der Regierung Hollande in ein gewaltiges Problem. Die vierte Wahrheit lautet: Die Wettbewerbsschwäche weiter Teile Europas ist so eklatant, dass eine richtige Erholung der meisten Volkswirtschaften auf Jahre hinaus nicht kommen wird. Eine fünfte: Die Verwandlung Europas in ein lahmes Alterheim, seine dramatische Überalterung wird tiefe Schnitte in unseren Rentensystemen erfordern. Die unbequemste Wahrheit aber traut sich kaum jemand auszusprechen: das europäische Sozialstaatsmodell ist am Ende. Umso überraschender ist ein Vorstoß von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die es mitten im Wahlkampf wagt, just diese historische Finalitätsprognose offen auszusprechen. Es war diese Woche in Bayern, da feierte die Kanzlerin mit der CSU neue Umfragen, wonach Seehofer auf eine absolute Mehrheit im Freistaat zuläuft. Hernach hielt sie in München eine Rede vor der versammelten Wirtschaftselite des Landes. Der Saal strotzte vor Kraft und Selbstbewußtsein, denn keine Region Europas ist besser durch die Krise gekommen als Bayern. Doch die aufkommende Feierlaune beendete die Kanzlerin jäh mit einer schneidend klaren Prognose: Wenn Europa heute nur noch 7 Prozent der Weltbevölkerung ausmache (Tendenz fallend), kaum noch 25 Prozent des globalen Bruttosozialprodukt erwirtschafte (Tendenz fallend), aber sich damit opulente 50 Prozent der weltweiten Sozialkosten leistet, dann könne das auf die Dauer nicht gut gehen. Merkel mahnte an, man werde “sehr hart werden arbeiten müssen, um diesen Wohlstand und unseren Lebensstil zu erhalten. Wir alle müssen aufhören, jedes Jahr mehr auszugeben als wir einnehmen.“ Kurzum: Die derzeitige Sozialsaatsverfasung Europas – 7 Prozent der Weltbevölkerung leisten sich 50 Prozent der Weltsozialkosten – kann einfach nicht überleben. Merkels bemerkenserte Erkenntnis ist nicht nur eine Absage an die Politik des französischen Präsidenten Francois Hollande, der keine Abstriche in den Sozialleistungen machen möchte und sich stattdessen lieber planschuldenwirtschaftlich durch wurschtelt. Sie kündigt zugleich einen echten Paradigmenwechsel an. Denn die europäische Idee einer staatlichen Rundumversorgung könnte bald überholt sein. Vor allem die Lage des europäischen Rentensystems ist hoch heikel. Ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung Europas ist inzwischen Rentner. Immer größere Teile des Bruttoinlandsprodukts werden nur noch für staatliche Rentenzuzahlungen ausgegeben, immer weniger aber für Forschung und Innovation. Da die Bevölkerung auch noch rasch altert, die Zahl der Rentner also steigt, werden die Staatsfinanzen in einen ruinösen Zuschuß zu den Rentenkassen und also in immer neuen Schulden getrieben. Es muss also irgendwann schmerzliche Einschnitte ins Rentenniveau geben oder aber das Renteneintrittsalter deutlich herauf gesetzt werden. Wahrscheinlich sogar beides. In jedem Fall wird das europäische Sozialrentensystem in der jetzigen Verfassung nicht zu halten sein. Die Bundeskanzlerin hat die Situation einer fehlenden Innovationskraft, einer sinkenden Wettbewerbsfähigkeit und eines staatlich erzwungenen Sozialsystems jüngst sogar mit dem Niedergang der DDR verglichen: „Wir wurden Zeugen, wie in der DDR das ganze sozialistische System nicht mehr wettbewerbsfähig wurde. Dadurch wurde den Leuten der Wohlstand verweigert, was am Ende zu großer Instabilität geführt hat.“ Im Klartext: Sollten die europäischen Länder ihre Sozialausgaben und Renten nicht massiv zurückfahren oder aber ihre Wettbewerbsfähigkeit dramatisch steigern, werden sie unvermeidlich im Schuldensozialismus und im Staatsbankrott enden. Das klingt nicht nach Schönsprech, sondern nach unbequemer Wahrheit.

Originalartikel Die Achse des Guten

Wirtschaft: Mißtrauen ist angebracht

Veröffentlicht: Juli 10, 2013 in Finanzen
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Denkt an Zypern. Die Zyprioten standen plötzlich vor ihren Geldautomaten und bekamen nichts mehr heraus.

Sie klickten Enter auf ihrer Tastatur, aber keine Onlineüberweisung wurde getätigt. Nur wer jetzt genug Bargeld gebunkert hatte, konnte weiterhin Nahrungsmittel für seine Familie kaufen, sein Auto volltanken oder Freunden und Verwandten in Not helfen. Die anderen saßen ohne ausreichende Bargeldbestände plötzlich auf dem Trockenen, als die Regierung des Inselstaates ohne Vorwarnung das Land lahmlegte, indem sie alle Konten sperrte und einen erheblichen Teil der Guthaben einfach pfändete. Erst da wurde den meisten Kunden bewußt, daß Buchgeld, auch Giralgeld, kein richtiges Geld ist.

Nur ein Versprechen der Bank

Die Zahl auf dem Kontoauszug ist nichts als ein Versprechen der Bank, dem Kontoinhaber den entsprechenden Betrag jederzeit auszuzahlen. Dieses Versprechen mußten die Banken in Zypern brechen, weil Politiker es so wollten. Weil sie ein korruptes Staatswesen errichtet haben, in dem sie und ihre Parteifreunde sich die Taschen vollstopfen, bis nichts mehr da ist. Danach wollten sie das Ersparte der Bürger nehmen, obwohl im Wahlkampf vorher noch das Gegenteil versprochen worden war. Und selbst wenn die Banken das Versprechen erfüllen wollten: Sie könnten niemals allen Kunden alle Konten gleichzeitig auszahlen. Soviel Bargeld gibt es gar nicht. Buchgeld macht inzwischen 90 Prozent unseres Geldes aus. Ein Bankensturm würde in kürzester Zeit zum Konkurs der meisten Institute führen, weil sie ihr zentrales Versprechen nicht erfüllen könnten.

Ohne Bargeld ist ein Bankensturm unmöglich

So ein Bankensturm ist durch die Ereignisse in Zypern noch wahrscheinlicher geworden. Um so größer ist der Druck, den Banken daher auf Handel, Politik und Konsumenten nun ausüben werden, das aus ihrer Sicht existenzbedrohende Bargeld abzuschaffen. Ohne Bargeld ist ein Bankensturm undenkbar. Wie sollten die Banken ihren Kunden ihre Ansprüche auszahlen, wenn es kein Geld mehr gibt? Das sieht nicht nur auf den ersten Blick wie ein teuflischer Plan aus. Dieser Trend weg vom Bargeld, der auch vom Handel und von Gewerkschaften unterstützt wird, kommt den Politikern sehr gelegen und wird von ihnen daher zusätzlich vorangetrieben. Für sie ist die Abschaffung des Bargeldes ein weiterer Schritt bei der Totalüberwachung der Bürger. Deswegen wird soviel Energie und Leidenschaft in Forderungen wie das Girokonto für jedermann oder die Bekämpfung der Geldwäsche gesteckt.

Jede Transaktion soll nachvollziehbar werden

Das sind alles Lügen, um den wahren Kern der Bargeldabschaffung zu verschleiern. Politiker wollen jede Transaktion nachvollziehen und besteuern können. Nur so können die immer stärker steigenden Kosten für den ausufernden Sozialstaat und zur Befriedigung der eigenen Klientel beglichen werden. Auf dem jüngsten G8-Gipfel in Nordirland haben die Regierungschefs beschlossen, daß ihre Finanzämter zusammenarbeiten und Informationen austauschen sollen. Das Ziel ist klar: der gläserne Bürger. Was für eine Ironie, daß der Gipfel durch die Enthüllung der NSA-Spitzelaffäre überschattet wurde, auf dem die Oberhäupter selbst die Ausspähung der Steuerpflichtigen vereinbart haben.

Dem Überwachungsstaat wird Tür und Tor geöffnet

Schon jetzt gelten in vielen europäischen Staaten Höchstgrenzen für Bartransaktionen. In Griechenland und Italien ist die Bezahlung von Produkten oder Leistungen verboten, die den Gegenwert eines Rennrades oder eines großen Fernsehers übersteigen. Die Abschaffung des Bargeldes öffnet dem Überwachungsstaat Tür und Tor. Wo sind nur die Linken, die früher wegen winziger Datenschutzverstöße Massendemos veranstaltet haben? Wo sind die Liberalen, die sich früher wenigstens verbal für das Bankgeheimnis ausgesprochen haben?

Aufklärung des Konsumenten über den Verlust von Freiheit

Es liegt an uns. Die Deutschen haben es in der Hand, ob das Bargeld tatsächlich abgeschafft wird. Keine Regierung wird es wagen, im Handumdrehen Münzen und Scheine zu verbieten. Solange genug Konsumenten bar bezahlen wollen, wird der Handel die Barzahlung nicht abschaffen. Die Voraussetzungen sind gut. Die Deutschen gehören, verglichen mit den Skandinaviern und den geradezu kreditkartenversessenen Amerikanern eher zu den Schlußlichtern der Entwicklung hin zur bargeldlosen Gesellschaft. Diese Skepsis gilt es zu schüren. Jeder Konsument muß darüber aufgeklärt werden, daß mit dem Verlust des Bargeldes auch ein Verlust an individueller Freiheit einhergehen wird.

Zypern war nicht der letzte Euro-Staat mit drohender Pleite

Hoffnung kommt auch durch den technischen Fortschritt. Eines Tages werden Programmierer ein anonym verwendbares Buchgeld entwickeln, das Online-Transaktionen ermöglicht, die nicht ausgeforscht werden können. Bis dahin gilt einstweilen: So oft wie möglich bar bezahlen. Buchgeld und Plastikkarte nur einsetzen, wenn es unvermeidlich oder deutlich einfacher ist. Und immer an einem sicheren Ort einen Umschlag mit Bargeld aufbewahren. Denn Zypern wird nicht der letzte Euro-Staat gewesen sein, dem die Pleite droht. Und eines Tages werden die Deutschen für die Garantien, die ihre Regierung über ihre Köpfe hinweg ausgesprochen hat, zur Kasse gebeten werden. Dann ist überall Zypern. Glücklich, wer dann einen Monatslohn beiseite gelegt hat.

Originalartikel Junge Freiheit

Wie gut oder wie schlecht sind die Mainstream-Medien in ihrer Krisenberichterstattung? Fest steht: Sie haben die Fakten erst viel später gebracht als die alternativen Medien und damit zum verheerenden Verlauf der Krise erheblich beigetragen. GEOLITICO-Autor GRINARIO mag sie dennoch nicht verdammen.

Die Mainstream-Medien werden des Öfteren und leider völlig zurecht insgesamt kritisiert, weil sie keine wirklich fundierte Analyse der sogenannten Euro-Rettungspolitik liefern, weil sie keine realistische Beschreibung bieten, welche Auswirkungen eine immer weitere Verschuldung und Geldentwertung für unser Gemeinwesen haben wird, und stattdessen die Geschehnisse wahlweise in ein viel zu mildes positives Licht tauchen und verniedlichen oder gleich mit den Horrorszenarien des „Großen Zusammenbruchs“ Angst verbreiten wollen. Um den Alternativlosigkeitskurs der Kanzlerin zu stützen, wird im Mainstream meistens verschwiegen, dass der Zustand, den die Euro-Zone aktuell erreicht hat, kein blindes Schicksal, sondern logische Folge konkreter politischer Handlungen ist, z. B. einer Politik des absolut unverantwortlichen Laissez-faire gegenüber den Banken zum Zwecke vermehrter Steuereinnahmen (Irland, Spanien, Luxemburg) oder der unverantwortlichen Verschuldung des Staatshaushalts zum Zwecke der Macherhaltung der aktuell regierenden Politiker (Griechenland, Portugal, Italien, Frankreich, Deutschland usw.). Es gab und gibt natürlich schon immer vereinzelt kritische Beiträge von und Interviews mit vom Euro-Glauben abgefallenen Häretikern oder altgedienten Euro-Kritikern. Sie sind in der Masse der die aktuelle Europapolitik positiv beurteilenden Beiträge sehr selten und meist noch so brav und vorsichtig formuliert, dass sie nicht allzu sehr aufregen. Doch ab und zu werden auch die verstocktesten Euro-Nörgler, die über so manche dummdreiste Aussagen in den Mainstream-Medien verzweifelten und verzweifeln, überrascht von Artikeln in den Online-Portalen der Zeitungen, die schlaglichtartig ein ganz anderes Bild der künftigen Entwicklung bezüglich Währungs- und Finanzsystem aufzeigen, als es morgens in den verschiedensten Käseblättern der Nation oder abends in den stromlinienförmigen 20-Uhr-Nachrichten vermittelt wird. Und das in einer Härte und Deutlichkeit, die nichts zu wünschen übrig lässt.

Positive Verstärkung

Solche Einzelvorstöße an der Wahrheitsfront, von einer Wahrheitsoffensive kann natürlich keine Rede sein, gilt es zu bestärken, auch wenn nicht viele Leser dieser Artikel eine kritischere Einstellung zum alternativlosen Rettungsgeschehen im Eurozonen-Europa bekommen werden. Es ist nicht übermäßig viel deutliche Kritik, was aus dem Mainstream kommt, aber wenn es doch der Fall ist, sollte man es positiv vermerken. Das Schlüsselwort ist „positive Verstärkung“:

  • „Eine positive Verstärkung ist in der Lernpsychologie die Zunahme der Häufigkeit eines Verhaltens, wenn positive Reize wie Essen dargeboten werden. Ein positiver Verstärker ist demnach jeder Reiz, der, wenn er dargeboten wird, die Reaktion bekräftigt und dadurch häufiger macht.“

Bei Hunden funktioniert das prima, so heißt es in meinem Bekanntenkreis. Es soll aber auch für Menschen oder Menschengruppen gelten. Aus der Lernpsychologie erfährt man noch, dass es durch einen positiven Verstärker zu einer Erhöhung der Auftretenswahrscheinlichkeit eines bestimmten Verhaltens kommt. Als Beispiel wird die Verhaltensänderung eines Kindes genannt, das jedes Mal, wenn es sein Zimmer aufräumt, gelobt wird, so dass es nun öfters sein Zimmer aufräumt. Und deshalb will ich den Mainstream auch einmal loben! Die drei Beiträge, um die es konkret gehen soll, sind in den letzten Wochen im Online-Portals des Focus im Zusammenhang mit den Verhandlungen des Bundesverfassungsgerichts über die Rolle der EZB in der Euro-Rettung und in der weiteren Diskussion über die Folgen der EZB-Geldpolitik erschienen.

Genügend Lebenslauf

Hier im ersten Teil meines Mainstream-Lobs geht es um zwei Artikel, die am 11. und 12.6.2013 erschienen sind. Dank und Anerkennung insgesamt an die Redaktion des Focus Online für einen Veröffentlichungs-Doppelschlag deutlicher Kritik am Euro-Rettungsgeschehen. „Die Macht der Zeitung besteht im Weglassen“, wusste schon der Philosoph Schopenhauer. Das trifft auf den hier zu behandelnden Artikel „Sechs Gründe, warum die Euro-Rettung scheitern wird“ von Gerald Mann nicht zu, deshalb ein großes Lob zum ersten für diesen Artikel, in dem die Euro-Misere genauestens ausgeleuchtet wird. Es ist eine volle Breitseite gegen die bisherige Euro-Rettung, die – im Gegensatz zu manchen Elaboraten im sonstigen Mainstream – auch noch argumentativ gut unterfüttert wird. Der Autor Gerald Mann ist fachlich ein absolutes Schwergewicht: Banklehre, Berufstätigkeit im Bankgeschäft, dann Studium Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaft, erneuter Berufseinstieg als Unternehmensanalyst in einer Großbank, dann Geschäftsführer und Berater im Verlagswesen, Promotion an der Universität der Bundeswehr in München über internationale Handelspolitik, Zusatzstudium in Erwachsenenpädagogik an der Hochschule für Philosophie in München, aktuell ist er Professor für Volkswirtschaftslehre und Studienleiter Bachelor an FOM Hochschule in München. 2012 erhielt er den BCW-Stiftungspreis für exzellente Lehre. Gerald Mann hat so viel „Lebenslauf“, dass er helfen könnte, die dürren Lebensläufe von drei Hinterbänkler-Abgeordneten eines Landtags oder des Bundestags (Abitur, dann Ortvereins-vorsitzender der Partei, schließlich Abgeordneter über die Landesliste) in Deutschland zu ergänzen. Gerald Mann stellt eine einfache Frage und gibt darauf sechs Antworten:

  • „Seit nunmehr über drei Jahren wird – glaubt man den Ausführungen der handelnden Politiker – unsere Währung gerettet. Und gerade in Deutschland sind noch viele angesichts relativ niedriger Arbeitslosigkeit und Inflationsraten überzeugt, dass wir damit auf einem guten Weg sind. Doch der Schein trügt. Warum wird die „Euro-Rettung“ kein gutes Ende nehmen?“

Sechs Gründe

Die sechs Gründe werden wie folgt benannt:

  1. Die südlichen Euro-Länder sind überschuldet und nicht wettbewerbsfähig. „Die Überschuldung“, so Gerald Mann, „war die Folge davon, dass man den eigenen Lebensstandard nicht der eigenen Leistungsfähigkeit anpassen wollte, sondern auf Pump konsumierte“.
  2. Es droht eine Transferunion, da die fehlkonstruierte Währungsunion anders nicht mehr zusammengehalten werden kann. Faktisch seien die Euro-Nordstaaten durch die vertraglichen Regelungen seit 2010 schon in eine Haftungs- Transferunion gezwungen worden.
    „Scheitern oder Transfer ist die logische Konsequenz. Bei der deutsch-deutschen Währungsunion 1990 war die zweite Variante von vorne herein klar und wurde trotz Murren mancher in Westdeutschland von einer breiten Mehrheit mitgetragen. Beim Euro wurde den Menschen ausdrücklich das Gegenteil versprochen.“
  3. Die Begründung, dass Euro-Europa durch das Zusammenhalten der Euro-Zone „um jeden Preis“ nach außen wettbewerbsfähiger und stärker geworden sei, ist eklatant falsch. Durch Transfermechanismen sinkt die Leistungsbereitschaft insgesamt, und damit die Wettbe-werbsfähigkeit.
    „Eine Staatengemeinschaft wird nur dann nach außen erfolgreich auf den Weltmärkten agieren können, wenn sie im Inneren auf Wettbewerb setzt. Dazu gehört zentral ein Grundprinzip der Sozialen Marktwirtschaft, dass die Zusammengehörigkeit von Entscheidung und Haftung nicht nur für Unternehmen, sondern auch für ganze Volkswirtschaften gelten muss. In der Eurozone ist das nun im Grunde abgeschafft mit negativen Folgen für unsere Wettbewerbsfähigkeit nach außen. Begrüßt deswegen die chinesische Regierung die „Euro-Rettung“ so demonstrativ?“
  4. Da nicht der Euro als Währung gerettet wird, sondern die Zusammensetzung der Euro-Zone, wird die Währung als Ganzes geschwächt. Hätte Griechenland (und im Gefolge wahrscheinlich einige andere Länder) 2010 die Euro-Zone verlassen, „dann wäre der Euro heute eine wertvollere Währung“. Und, muss man hinzufügen, über seine Stabilität würde sich keiner Gedanken machen, während der Dollar und die Geldpolitik der Fed unter stärkstem Beschuss wäre.
  5. Die Euro-Rettung überfordert Deutschland ganz einfach:
    „Aber Deutschland gewinne doch durch den Euro, weil wir so viel exportieren können, heißt es von den Befürwortern der „Euro-Rettung“. Die jüngste Studie der Bertelsmann-Stiftung „Vorteile Deutschlands durch die Währungsunion“ (2013) bläst ins gleiche Horn und sieht ohne den Euro die deutsche Wirtschaft jedes Jahr um rund 0,5 Prozentpunkte niedriger wachsen. Mag sein, das wären rund 13 Milliarden Euro weniger Wertschöpfung pro Jahr. Doch was ist dieser Betrag schon im Vergleich zur deutschen Haftung aus der „Euro-Rettung“ laut Ifo-Haftungspegel von derzeit etwas über 650 Milliarden Euro? Wir haften also derzeit mit dem 50-fachen des von der Bertelsmann-Stiftung erwarteten jährlichen Wachstumsverlustes. Ein schlechtes Geschäft für Deutschland.“
  6. Der Euro spaltet die Völker Europas statt sie zu einen. Wenn es ums Geld geht, hört eben die Gemütlichkeit auf. Die einen wollen keine Melkkühe sein, die anderen sich nicht in ihre bisherige Lebensweise hineinreden lassen. Allein die Plakate mit der hitlerbärtchenbemalten Angela Merkel, die in Athen umher getragen wurden, sollte eine Warnung sein.
    „Mit jedem Tag, den die „Euro-Rettung“ länger dauert, wird ein auf Freiheit, Freiwilligkeit, ökonomischer Vernunft und Subsidiarität basierendes gemeinsames Europa unwahrscheinlicher. Denn entweder wird ein zentralistischer EU-Staat aufoktroyiert oder die europäische In-tegration scheitert. Beides ist nicht wünschenswert.“

Soweit Gerald Mann mit seiner vehementen Kritik. Nur ein Tag später erschien ein Artikel des Leiters des FOCUS-Wirtschaftsressorts Uli Dönch. Sein Beitrag heißt „Euro-Farce vor Gericht: Wer hat den Mut, diesen Euro zu zertrümmern?“ Ein großes Lob also zum zweiten für diese Kritik an der Politik der Euro-Rettungsschirme und für die fast schon unglaubliche Häufung kritischer Artikel in Focus Online zum Euro-Rettungsgeschehen.

Verbale Nebelkerzen

Offen spricht Dönch die durchsichtigen Tricks an, mit denen versucht wird, die Lage vor allem in Deutschland ruhig zu halten. Auch viele andere Beobachter der Euro-Rettungspolitik schätzen solche verbalen Nebelkerzen als geradezu unglaubliche Dreistigkeit ein:

  • „Noch in letzter Minute versuchen EZB und Bundesregierung, die Richter mit verbalen Tricks zu beschwichtigen:
    Die Zentralbank verbreitet, dass Mario Draghis „unbegrenztes“ Kaufprogramm doch ein Limit hätte: Die EZB habe angeblich intern festgelegt, nicht mehr als 524 Milliarden Euro für Anlei-hekäufe auszugeben. Nur 524 Milliarden? Na dann brauchen wir uns ja keine Sorgen zu machen – 525 Milliarden Euro sind ja auch gerade mal der doppelte Haushalt der Bundesrepublik Deutschland…
    Gleichzeitig lässt die Bundesregierung im „Handelsblatt“ durchsickern, dass man Griechenland keinen zweiten Schuldenschnitt erlauben werde: „Der deutsche Finanzminister darf nur Hilfskredite gewähren, wenn er hinreichend verlässlich davon ausgehen kann, dass das Geld auch zurückgezahlt wird. Das ist nach einem Schuldenschnitt nicht mehr der Fall.“ Uns kommen die Tränen – vor Lachen: Hat es Wolfgang Schäuble etwa bisher gestört, dass die Griechen ihre Schulden bei uns niemals zurückzahlen werden? Na also.“

Auch Dönch ist eher pessimistisch, was die Courage der Bundesverfassungsrichter angeht, der aktuellen Euro-Rettungspolitik ein Ende zu setzen:

  • „Das Bundesverfassungsgericht hat sich noch nie getraut, eine derart wichtige politische Entscheidung rückwirkend zu verbieten. Oliver Kahn würde jetzt sagen: „Dafür braucht man ja auch Eier!“ Ohne den Herren in den roten Roben zu nahe treten zu wollen: Manchmal merkt man ihnen eben doch an, wer sie ernannt hat – die großen deutschen Parteien.“

Dönch rät den Regierungen in Madrid und Rom endlich zu dem mutigen Schritt, die Währungsunion zu verlassen und ihre alten Währungen wieder einzuführen. Die New York Times zitierend schreibt er: Die Staatenlenker in Europa müssten endlich erkennen, dass ausgerechnet das geliebte Integrationsprojekt Euro letztendlich Frieden und Demokratie in Europa bedrohen würden. Sie sollten jetzt noch rechtzeitig das trennen, was niemals zusammengehört hätte: Sonst bestehe die Gefahr, dass es stattdessen demokratiefeindlichen Kräfte tun würden. Soweit Uli Dönch im Focus Online.

Transferunion ist real

Natürlich kann man kritisieren, dass im Focus, wie auch in anderen Mainstream-Medien, im Zusammenhang mit der sogenannten Euro-Rettung nicht das ganze Ausmaß der drohenden Belastungen für Deutschland und andere Euro-Nordstaaten dargestellt wird, die m. E. auf uns zukommen werden. Die Gefahr einer Transfer-Union ist ebenso real, wie die drohenden Belastungen über eine verkappte Bankenrettung, die den putzigen Namen „Bankenunion“ bekommen hat und die sich im Umfeld der „Euro-Rettung“ abspielt. Die Verschuldung der Banken hat mit den Problemen einer Währungsunion an sich nicht zu tun, aber sehr viel mit einer uferlosen Staatsverschuldung. Deshalb geht es in den Gesprächen der Politiker inzwischen auch um eine Vergemeinschaftung der eurozonalen Bankschulden. Schon Mitte des letzten Jahres bezifferte der Ökonom Hans Werner Sinn die Schulden der Banken in den Krisenländern der Euro-Zone auf 9,2 Billionen Euro. Zusammen mit den Staatsschulden ergäbe sich dann eine Summe von etwa 12 Billionen. Der Mechanismus für zumindest einen großen Teil dieser Schuldenaufnahme lief dabei wie folgt ab: Mit billigem Geld der EZB haben die Banken in Südeuropa die Anleihen ihrer eigenen Staaten gekauft, die mehr Zinsen bringen als sie bei der EZB für das geliehene Geld zahlen müssen. Die eingekauften Staatsanleihen wurden von der EZB als Sicherheiten für den Kredit angenommen. Dieses Gelddruck-System ist irgendwann am Ende, die Banken können nicht endlos zur verlängerten Schulden-Werkbank der Staaten werden. Was passiert aber mit diesen Schulden, wie sollen sie je beglichen werden? Was passiert mit anderen inzwischen wertlosen Vermögenswerten der Banken? Welche Antwort haben die Politiker, außer die EZB Geld drucken zu lassen? Wenn man sich außerdem vor Augen hält, dass nicht nur südeuropäische Banken Schulden haben und die Schulden der Banken z.B. in Deutschland, Luxemburg, Frankreich, Niederlande, Belgien, Slowenien z. B. sich auf geschätzte 7 Billionen Euro belaufen, dann fragt man sich schon, ob Journalisten, die wirklich durchblicken, noch ruhig schlafen können. Damit aber noch nicht genug, denn in den Banken der Euro-Zone schlummern faule Kredite an Privatschuldner in einer Höhe, die auf 0,7 bis  von ca. eine Billion Euro geschätzt werden. Natürlich sind auch hier vor allem die Banken in den Euro-Krisenländern betroffen, ca. 0,5 Billionen Euro. Es gibt eine recht anschauliche Definition zur Verschuldung von dem politisch äußerst flexiblen Hjalmar Schacht, der in der Weimarer Republik und im Dritten Reich (von 1923 bis 1930 und wieder von 1933 bis 1939) Präsident der Reichsbank gewesen ist:

  • „Verschuldung ist nichts weiter als vorgezogener Konsum, der in der Zukunft ausfällt.“

Als Schacht diese Definition von Schulden formulierte, ging er natürlich wie selbstverständlich noch davon aus, dass für Privatschulden (für Staaten und Banken galten ja schon immer besondere Bedingungen) die möglichst vollständige Schuldenrückzahlung eine verbindliche Aufgabe des Schuldners ist, so dass in Zeiten hoher Privatverschuldung spätere Einbrüche beim Konsum und damit Auswirkungen auf die Konjunktur unumgänglich sind. Fällt der Schuldner tatsächlich aus, ist das Risiko bei der Bank und ihren Eigentümern. Heutzutage sind die den Ton angebenden Ökonomen und unsere EU-Politiker allerdings der Meinung, dass Banken, weil systemrelevant, möglichst geschont werden müssten und dass der Konsum geradezu bedingungslos gestützt werden müsse, deshalb wird versucht, auch die Privatschulden in der Euro-Zone (auch das wird dann durch den Begriff „Bankenunion“ abgedeckt) durch weitere Haftungsverpflichtungen und Schaffung eurozonaler Einlagesicherungen so umzuverteilen, dass letztendlich in der Euro-Zone als Ganzes Schulden gleichmäßig umverteilt werden. Die Privatschuldner in der Euro-Zone sollen entschuldet werden, aber nicht auf Kosten der Banken, sondern der Allgemeinheit.

Lösung im Sinne der Banken

Seit Monaten gibt es immer neue Versuche, für die Schulden der Banken und für ihre faulen Kredite eine „Lösung“ im Sinne der Banken zu finden. Der ESM soll einspringen, obwohl er ursprünglich ausdrücklich nur für verschuldete Staaten gedacht war (auch hier wieder ein Wortbruch). Schon melden sich Stimmen, dass der hier bereitgestellte Betrag („nur“ 60 Milliarden der 500 Milliarden) wohl kaum das Problem auch nur im Ansatz lösen könnte. Inzwischen ist man wohl soweit (siehe Zypern), auch an die Einlagen der Sparer zu gehen. Eine europaeinheitliche Regulierung für die Abwicklung von Banken ist gerade beschlossen worden. Wenn sie Pleite gehen, sollen zuerst die Eigentümer bzw. Aktionäre dran glauben, dann die Gläubiger (Anleihebesitzer) der Banken, dann die Einlagen von sehr vermögenden Kunden über 100.000 Euro. Unterschiedliche Interpretationen gibt es bis jetzt, ob nicht doch ein Unterschreiten der 100.000-Euro-Regel möglich ist. Wenn z. B. Einlagen von Sparern unter dem genannten Betrag ausgenommen sind, dann dürfte die Ebene der Steuerzahler und in der weiteren Folge dann das Umlegen auf die Gesamt Euro-Zone schnell erreicht sein. Das ist eigentlich die logische Schlussfolgerung, wenn man sich vor Augen führt, um wie große Summen es allein in Südeuropa geht. Die Einschnitte auch für die Bürger, die bisher verantwortlich mit ihrem Geld und ihrer Verschuldung umgegangen sind, werden auch mit dieser Bankenunion habhaft sein. Aber auch welche moralische Verheerung und welch europapolitischer Schaden hier angerichtet werden, ist erkennbar: Staaten und Bevölkerungen, die noch einigermaßen gut gehaushaltet haben, werden, ob über ESM oder eine im Ernstfall erweiterte „Bankenunion“ (denn es wird nicht meiner Meinung nach nicht beim ESM bleiben), in Haftung genommen für völlig unvernünftige Kungelei und Ausgabenpolitik. Haftung für die Schulden anderer Leute, das ist in Europa seit Neuestem die inhaltliche Ausformung des Begriffs „Solidarität“. Wie die Geretteten darüber denken, hat man ja erst kürzlich in Telefonmitschnitten irischer Banker gut studieren können. Das aber nur zur Ergänzung für zwei gute und sehr deutliche Beiträge zur sogenannten Euro-Rettung.

Originalartikel Geolitico

Das EU-Neumitglied Kroatien hat wirtschaftlich vieles nachzuholen. Mittel der EU sollen nach dem Beitritt weiterhelfen – aber mit dem Milliardensegen drohen auch Sanktionen: Das Defizit ist zu hoch.

In der vergangenen Woche beschloss das kroatische Parlament, die Klagen von auswärts endlich zum Verstummen zu bringen. Klagen darüber, dass ein Durcheinander von Verwaltungsebenen, Zuständigkeiten und Machthabern im Großen wie im Kleinen die Investoren dazu bewege, ihr Geld besser anderswo einzusetzen oder es bei sich zu behalten. Ein Agent der Regierung soll also künftig jedem Willigen helfen, auch tatsächlich ein Unternehmen kaufen oder gründen zu können. Er soll politischen Willen und Recht durchsetzen. „Informelle Beschränkungen“ nennt die Sachlage eine Studie des Beratungsunternehmens Roland Berger zu Chancen und Schwierigkeiten, die der EU-Beitritt Kroatien bringt – eine freundliche Umschreibung für das Dickicht aus wuchernder Bürokratie, in dem Korruption gedeiht. Wen holt Europa sich da ins Haus? Die unveröffentlichte Studie, die der „Welt“ vorliegt, zeichnet das Bild eines Landes, das bei seinem EU-Beitritt noch einiges nachzuholen hat. Angefangen bei der Bürokratie. „In diesem Land reden so viele Leute mit. Da kann ein Projekt, sagen wir, ein Hotelbau in Dalmatien, auf dem Papier beschlossen und genehmigt sein – aber auf einmal müssen sich Unternehmen auf ein Spiel mit so vielen Verwaltungsebenen einlassen, dass keiner mehr die Spielregeln verstehen kann“, sagt Vladimir Preveden, Partner und Südosteuropaexperte bei Roland Berger. „So kommen viele gute Projekte nie zustande.“ Nicht einmal eine Milliarde Euro hat das Land 2012 aus dem Ausland angezogen, weit entfernt von den mehr als vier Milliarden Euro des Jahres 2008. „Es gab zuletzt fast keine direkten ausländischen Investitionen mehr“, sagt Preveden. Die Direktinvestitionen sind ein Messgröße für die Attraktivität eines Landes, bei Weitem nicht die einzige. Im Falle Kroatiens reiht sich ihre geringe Höhe ein in die Probleme der Wirtschaft im fünften Jahr der Rezession. „Kroatien ist nach Griechenland das EU-Land, das von der Krise am schwersten getroffen ist.“ Während aber der nahende EU-Beitritt in den anderen osteuropäischen Ländern in den drei Jahren zuvor ein Feuerwerk an Investitionen zündete und die Wirtschaft vorher überall beträchtlich wuchs, kam mit dem Stichtag die Normalität zurück, das belegt die Studie. „Sie hatten im Durchschnitt rund zwei Prozentpunkte mehr Wachstum als nach ihrem EU-Beitritt“, sagt Preveden. „Diesen Zeitpunkt hat Kroatien leider verpasst“, sagt der Berater. Die Regierungen hätten nur „halbherzig und widerwillig gute Ratschläge befolgt“, wollten die Wirtschaftskrise einfach aussitzen und darauf warten, von wieder anziehender Konjunktur in Europa und der Welt mitgenommen zu werden. Das könnte noch dauern.

Kroatien hat vergleichsweise hohe Löhne

So verharrt die Arbeitslosenrate seit zehn Jahren bei 15 Prozent. Kroatiens Lohnkosten sind höher als die in anderen osteuropäischen Ländern. Die Zahl der unbeschäftigten jungen Leute hat sich in den vergangenen vier Jahren verdoppelt. „Gute Talente verlassen das Land. Das ist ein trauriger Trend“, sagt Preveden. Im Braindrain-Ranking des World Economic Forum (WEF) belegt das Land den deplorablen Platz 126 von 144 Ländern, der so viel heißt wie: Wer halbwegs weg kann, der geht auch. Das alles soll sich ändern. „Die größte Herausforderung der Wirtschaftspolitik ist mittelfristig, nachhaltiges Wachstum zu aktivieren“, schreibt die kroatische Regierung im Bericht über ihre Vorhaben, den sie auf informeller und freiwilliger Basis bereits an EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn gesandt hat. Niemand in Brüssel mochte widersprechen. Eine Hilfe können sicher die 13 Milliarden Euro sein, die die EU schon für die Förderung Kroatiens im Haushaltsrahmen für die kommenden sieben Jahre reserviert hat. Selbst abzüglich des Mitgliedsbeitrags bleiben noch mehr als zehn Milliarden aus Struktur- und Regionalfördermitteln, an Agrarsubventionen und Sondertöpfen, mit denen das Land halbwegs sicher rechnen kann. Allein: Die Mittel müssen auch abgerufen werden, und dazu braucht es neben einem bis auf regionale und lokale Ebene gehenden Umgang mit den Brüsseler Förderregeln – vor allem ein Geschäftsmodell. Berater Preveden ist bei seiner Kernkompetenz angelangt, wenn er der Regierung von Premierminister Zoran Milanovic empfiehlt: „Kroatien sollte sich auf zwei Wirtschaftsbereiche konzentrieren, in denen das Land bereits gute Erfahrungen und Kompetenzen hat: den nachhaltigen Ganzjahrestourismus und die Bio-Landwirtschaft.“ Kroatien hat fruchtbare Böden und eine Adriaküste, die architektonisch weit weniger verdorben ist als die des Nachbarns Italien. Das Land hat zauberhafte Städte und die Berge an der Hintertür. Und dennoch, das zeigt die Studie, hat Kroatien nur im Sommer Saison – und da bei Billigtouristen, die nicht lange bleiben und wenig Geld ausgeben.

Keine lange Schonfrist für Kroatien

Das klingt nun nicht danach, als könne aus dem Land ein Hightech-Industriestandort werden, aber: „In diesen beiden Bereichen muss das Land auch professionelle, förderungswürdige Projekte definieren, damit die EU-Mittel auch tatsächlich dahin fließen“, sagt Preveden. Er sieht Anzeichen, dass die Verantwortlichen aufgewacht sind. Die Regierungsagenten, die Investoren begleiten sollen, sind nur ein Anzeichen, dass Reformen in Angriff genommen werden. „Die Regierung tut jetzt endlich was, zu langsam und zu wenig, aber es passiert was. Wenn man das jetzt schafft, dann wird Kroatien kein Sorgenkind bleiben“, sagte er. Auch ein Sprecher der EU-Kommission sieht einen „gestärkten politischen Willen, die nötigen Reformen anzugehen und die Bedingungen für Unternehmen zu verbessern“. Aber mit dem Subventionssegen, der über das Land kommen wird, kommen erst einmal auch die unangenehmen Regeln. Kroatiens Neuverschuldung wird in diesem Jahr nach Vorhersagen der Kommission bei 4,7 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen – klar zu viel für den europäischen Stabilitätspakt. Währungskommissar Rehn macht deutlich: Es wird keine lange Schonfrist geben. „Nach dem EU-Beitritt wird die EU-Kommission die Situation untersuchen und erwägen, ob ein übermäßiges Defizit vorliegt“, sagt Rehns Sprecher. Wenn es so wäre, dann drohte dem Land ein Verfahren. Aber noch seien die Neuverschuldungszahlen ja nur Prognose.

Originalartikel Die Welt

Er ist eine der beliebtesten Hassfiguren in öffentlichen Diskussionen quer durch Europa geworden: der Reiche.

Ständig werden wir mit Statistiken bombardiert, wie viel Prozent die obersten Promille/Prozent/Dezile/Quintile an irgendeinem fiktiven nationalen Gesamtvermögen besitzen würden. Das sind für uns Normalsterbliche aufs erste eher unvorstellbare Dimensionen. Daher versuchen viele, damit auf Marktplätzen populistisch Stimmung zu machen und dabei unterschwellig den Eindruck zu erwecken, Vermögen würde ohnedies nur in Luxus, Nachtlokale oder lockere Frauen investiert. Konsequenz: Wegnehmen, enteignen, zumindest kräftig besteuern. Damit der weise Staat mit den Vermögen Klügeres anstellt. Aus dieser Denkweise folgt dann mit der gleichen Logik gleich die geradezu zwingende Folgerung: Wenn wir das tun, dann können wir locker das Schlaraffenland des anstrengungslosen Wohlfahrtsstaates weiter finanzieren. Selbst wenn diese Annahmen stimmen – was sie nicht tun –, dann ist  die ganze Überlegungskette auch deshalb völlig unsinnig, weil mehrere entscheidende Fragen dabei nie gestellt oder untersucht werden. Sie lauten:

  1. Hat jemals in der Geschichte so ein Modell dauerhaft funktioniert?
  2. Woher kommt Reichtum?
  3. Was passiert, wenn der Staat auf private Vermögen/Erbschaften zugreift?

Zuerst zu den historischen Beispielen. Versucht sind solche Finanzierungsmodelle ja in der Tat schon oft worden. Die Realisierungen haben jedoch alle bitter geendet. Das gilt nicht nur für den überhaupt größten derartigen Versuch, also die einige Jahrzehnte agierenden kommunistischen Regime mit ihren zahllosen Abarten. Immer wurde den Ärmeren, den Arbeitern und Bauern, dabei eingeredet, man müsse nur die Besitzenden, die Adeligen, das Bürgertum, die Großbauern enteignen, und schon wären die Probleme der Armen gelöst. Und insbesondere Schriftsteller und Künstler mit ihrer großen Multiplikatorwirkung fanden das (auch im vermeintlichen eigenen Interesse) faszinierend. Wie wir heute eigentlich alle wissen sollten: Nichts war gelöst. Das Gegenteil trat ein. Am Schluss war für (fast) alle viel weniger da als zu den Zeiten des bösen Reichtums. Arbeiter und Bauern gerieten im Kommunismus auf Generationen in noch tiefere Armut. Und Künstler konnten nur überleben, wenn sie regimekonform agierten. Es dauerte jedenfalls nach der Abschaffung des Kommunismus Jahrzehnte, bis die Arbeiter und Bauern wieder mit denen gleichziehen konnten, die ohne die großen Umverteilungen ausgekommen sind. Besser ging es einzig der Funktionärsklasse, der Nomenklatura, die sich in die Villen der Reichen setzte, aber ohne Reichtum zu schaffen oder auch nur zu erhalten.

Den Armen helfen nur freie Aufstiegschancen

Es ist heute statistisch eindeutig nachweisbar: Je weniger Umverteilung, umso besser geht es auch den untersten Schichten. Das sieht man von der Schweiz bis Amerika. Zwar herrschen in solchen Ländern oft größere Verteilungsunterschiede als in anderen. Aber relevant kann ja nur sein, ob es den Armen durch Umverteilung langfristig und nachhaltig besser geht also ohne. Und das war nie der Fall. Zur Bekämpfung der Armut muss etwas ganz anderes gewährleistet sein: dass Arme, Nichtadelige, Ungebildete ohne rechtliche oder formale Schranken genauso jede wirtschaftliche Tätigkeit ausüben können wie jene, die durch Adel und dergleichen einen scheinbaren Startvorteil haben. In den westlichen Staaten passierte das historisch in der Epoche zwischen der amerikanischen Tea Party und dem Sturz beziehungsweise der Entmachtung der Feudalsysteme. Sobald das möglich war, erfolgte in den nächsten Generationen eine große, friedliche UND nachhaltig erfolgreiche Umverteilung, eine Explosion an nationalem Reichtum. Man denke nur an den sensationellen Aufstieg der europäischen Juden ab Ende der Diskriminierung und der Herstellung der Startgleichheit. Zünfte und Aristokratie hatten lange mit Tricks, Standesdünkeln und Ressentiments den Aufstieg der Bauern (die waren ja lange „schollegebunden“, also leibeigen), Juden und Handwerksgesellen zu verhindern versucht. Konkrete Beispiele dieser Tricks waren etwa Innungsmauern, Zugangshindernisse zu bestimmten Tätigkeiten und Zollmauern. Sobald die benachteiligten Schichten aber gleichberechtigt waren, überflügelten die Fleißigen und Talentierten unter ihnen im Wettbewerb sehr oft die bisher dominierenden Schichten.

Von Zimbabwe bis Schweden: Umverteilung gescheitert

Gescheitert sind auch alle nichtkommunistischen Versuche, durch Reichenhatz zu Wohlstand zu kommen. Man denke etwa an das dramatische Beispiel Zimbabwes. Das Land war lange Zeit der führende Nahrungsproduzent und Exporteur Afrikas. Als aber ein angeschlagener Diktator dann populistisch zur Jagd auf die nicht einmal 5000 meist weißen Farmer rief (die im Vergleich zu den anderen Zimbabwe-Bürgern in der Tat sehr reich erschienen), errang er zwar kurzfristig den Beifall der vermeintlichen Profiteure aus seinen Reihen. Ein oder zwei Ernten später brach jedoch der bittere Katzenjammer aus: Es brach eine gewaltige Hungersnot aus, vor der Millionen Menschen ins Ausland flohen, wo sie bis heute noch darben. Enteignung hat sich wieder einmal als der völlig falsche Weg erwiesen, um im Wettbewerb voranzukommen. Aber auch Schweden ist hier anzuführen. Gewiss gab es dort kein Blutvergießen, keine Jagd auf politisch Missliebige oder Hungersnöte. Strukturell war das Ergebnis dennoch ähnlich: Jahrzehnte des immer intensiveren Zugriffs auf die „Reichen“, ständig erhöhter Steuern, ständig noch heftiger Regulierungen stürzten das lange von manchen als „Vorbild“ gehandelte Land in den Neunziger Jahren in eine tiefe Krise. Nur ein gewaltiger nationaler Kraftaufschwung mit Steuersenkungen, Abbau vieler „Errungenschaften“ und eben wieder mehr Rücksicht auf die Reichen hat Schweden seither wieder nach oben gebracht. Das hat auffälligerweise dazu geführt, dass keiner der Ideologen heute mehr vom schwedischen Vorbild spricht, wie es davor jahrzehntelang üblich gewesen ist.

Erbschaften sind nicht die Hauptqelle des Reichtums

Aber nicht nur der Blick in die Geschichte und auf die internationalen Beispiele sollte dringend vor Reichenhatz warnen. Zu dem selben Ergebnis führt auch der Blick auf die Quellen des Reichtums. In der Propaganda wird oft der Eindruck erweckt, dass dieser primär durch seit Generationen akkumulierte Erbschaften zustandegekommen und daher arbeitsloses Einkommen sei. Das stimmt nur überhaupt nicht. Weder ein Bill Gates noch ein Dietrich Mateschitz noch ein Karl Wlaschek bauten nach dem Krieg auf irgendeinem vorgefundenen Reichtum auf, um nur einige Namen der in ihren Ländern jeweils Reichsten zu nennen. Das gilt auch für die meisten anderen auf den in manchen Medien so beliebten Listen der Reichen und der großen Vermögen.

Die meisten Reichen wurden als Unternehmer reich

Eine internationale Studie (Barclays) kommt zu dem Ergebnis, dass die durch unternehmerische Tätigkeit erworbenen Vermögen gegenüber den ererbten in einem Größenverhältnis von 40 zu 26 stehen. Das heißt, dass unternehmerische Aktivitäten den weitaus größten Teil der Vermögensbildung erzielen. Dass es aber kaum gelingt, Vermögen über mehrere Generationen zu erhalten. Dass man primär durch Arbeit und Leistung – und gewiss dem nötigen Quäntchen Glück – reich wird. Nun können gewiss Moralisten die Nase darüber rümpfen, dass es ein zentrales Motiv vieler Unternehmer ist, reich zu werden. Realisten werden das aber im Sinne der Allgemeinheit zu nutzen versuchen. Denn sie wissen und haben an unzähligen Beispielen gelernt, dass ein Land ohne ausreichende unternehmerische Tätigkeiten in die Armut absinkt. Nur Unternehmer schaffen Arbeitsplätze. Logischerweise stammt auch der weitaus größte Teil der Einkommensteuer-Einnahmen von Gutverdienern, von Reichen, von Unternehmern oder leitenden Angestellten, die wie ein Eigentümer Entscheidendes zum Erfolg eines Unternehmens beitragen. An dieser Tatsache kann auch der Umstand nichts ändern, dass es Steuerhinterzieher gibt. Die sind mit allen rechtlich erlaubten Methoden zu verfolgen. Die illegalen Einkommen vom Pfusch bis zum Drogenschmuggel können aber niemals die teilweise oder gar gänzliche Konfiskation legal erworbener und versteuerter Vermögen legitimieren.

Wer nicht reich werden kann, strengt sich nicht an

Vor allem ist jede gänzliche oder teilweise Konfiskation kontraproduktiv. Denn die Dynamik, die Leistung, die Risikobereitschaft von Millionen auf Reichtum hoffenden Menschen ist absolut unersetzbar. Der Versuch, diese Motivation – polemisch neuerdings oft Gier genannt – durch Beamte und staatliche Planer zu ersetzen, ist immer dramatisch gescheitert. Eine weitere schädliche Folge der Reichenhatz: Viele Menschen stellen ihre Anstrengungen ein, wenn sie keine Chance mehr sehen, Reichtum zu erwerben. Überdies sind schon unzählige Male Unternehmer und Leistungsträger in ein anderes Land übersiedelt, wenn ihnen der Staat ihr erarbeitetes Vermögen wieder wegzunehmen beginnt. Solange nicht wieder Eiserne Vorhänge aufgezogen werden, ist Abwanderung von Vermögen leicht und schnell. Lediglich bestimmte Freie Berufe (insbesondere Rechtsanwälte und Steuerberater) können meist nur im eigenen Land hoffen, reich zu werden.

Die angeblich arbeitslosen Vermögen

Nun wird von den Reichenjägern argumentiert: Es ginge ja nur um die arbeitslosen Vermögen. Dabei lügen sie aber gleich mehrfach:

  • Erstens kann man die erarbeiteten nicht von den ererbten und geschenkten Vermögen trennen.
  • Zweitens sind die meisten Vermögen in aller Regel wieder in Unternehmen angelegt. Eine Besteuerung würde also die Investition in Unternehmen reduzieren.
  • Drittens unterliegt fast jede Vermögensvermehrung ohnedies auch in Ländern ohne Vermögenssteuer längst der Besteuerung, etwa durch Kapitalertrags- oder Aktien- und Immobiliengewinnsteuern. Unversteuert sind de facto bis auf winzige Ausnahmen nur jene Vermögen, die sich nicht vermehren oder die gar an Wert verlieren, was eine Besteuerung besonders absurd macht.
  • Viertens zählen zu den wenigen derzeit unversteuerten Vermögenszuwächse vor allem die Wertgewinne von Bildern und anderen Kunstwerken. Das sind aber sehr volatile Wertgewinne. Es gibt viel mehr Kunstwerke, die nach Abflauen einer Modewelle kaum mehr wert sind als die bemalte Leinwand. Daher wird sich kaum noch jemand eine Kunstsammlung anschaffen, wenn allein deren Besitz besteuert wird. Die wahren Opfer eines Zugriffs auf die Reichen wären daher die Künstler, auch wenn es diese noch gar nicht richtig begriffen haben.
  • Fünftens trifft man mit Reichenhatz in fast jeder Konstruktion immer auch die Eigenheimbesitzer. Man würde also eine Steuer auf Wohnraum einheben, den die Politik eigentlich zu fördern versprochen hat.
  • Sechstens würden bei einer Besteuerung privater Vermögen natürlich viele Gold und Schmuck kaufen – und dann sofort vergraben oder sonstwie verstecken.
  • Das führt siebentens zwangsläufig zu einem widerlichen Eindringen von Finanzbeamten in den Intimbereich, die im Wäschekasten nach Golddukaten fahnden. Eine absolut abstoßende Vorstellung.

Sind Erbschaften wirklich leistungsfrei?

Aber die Erbschaften! Die sind doch wirklich leistungsfreies Einkommen, sagen da manche. Und liegen auch damit völlig falsch. Denn für den Erblasser sind sie keineswegs leistungsfrei, sondern ganz im Gegenteil die Summe seiner Lebensleistung. Für viele Erblasser war und ist es eine oft sogar dominierende Motivation, Werte für die Kinder zu schaffen und hinterlassen. Noch abschreckender sollte auch die Tatsache sein, dass große Erbschaften fast immer primär aus unternehmerischem Vermögen bestehen. Dadurch würde also wiederum unternehmerische, arbeitsplatzschaffende Aktivität belastet. Es gibt viele Beispiele aus Ländern mit Erbschaftssteuer, wo Betriebe den Todesfall des Eigentümers auf Grund der Steuerlast nicht überleben konnten. Dennoch wollen die österreichischen Gewerkschaften sogar schon ab 150.000 Euro nach den Erbschaften greifen. Dieser Betrag ist in der Summe von Autos, Briefmarkensammlungen, Häusern, Bargeld und vielem anderen in den meisten Familien erreicht, noch bevor man auf Unternehmensanteile und Aktien kommt.

Doppelte Steuer bei zwei Todesfällen

Was ebenfalls gerne übersehen wird: Bei einem doppelten Schicksalsschlag, also bei zwei Todesfällen in kurzer Abfolge, ist die Erbschaftssteuer dann gleich doppelt zu bezahlen, also für kaum jemanden noch finanzierbar. Eine Wiedereinführung einer Erbschaftssteuer hätte noch eine weitere Wirkung: Sie würde zu einer Fülle von Umgehungskonstruktionen führen, weil ältere Menschen eben alles tun, um ihren Besitz zur Gänze ihren Erben zu sichern. Sie lassen sich auch dadurch nicht abhalten, dass diese Konstruktionen meist sehr teuer werden, nicht nur wegen der Anwaltskosten. Oder dass sie sich erfahrungsgemäß später oft ärgern werden, wenn sie in Notsituationen ohne ihr einst erworbenes Vermögen dastehen, wenn sie nicht mehr Herr im eigenen Haus sind. Die Konklusion kann also nur heißen: Seien wir froh, wenn wir Reiche haben. Je mehr desto besser. Lassen wir sie und das von ihnen Erworbene in Ruhe, zu Lebzeiten wie am Todestag. Es wäre für uns alle schlechter, wenn es keine Reichen, keinen Reichtum oder viel weniger davon gäbe.

Andreas Unterbergers Tagebuch

ATTAC-Studie: Drei Viertel der sogenannten Griechenlandhilfe flossen in die Kassen von Banken. Bei den Bürgern kam nichts an, im Gegenteil

Wo sind eigentlich jene 206,9 Milliarden Euro geblieben, die seit März 2010 in 23 einzelnen Tranchen als »Griechenlandhilfe« ausgezahlt wurden? Bei den Kindern dort im Lande – von denen immer mehr morgens hungrig zur Schule gehen – kommt es offensichtlich nicht an. Bei den Lehrern, die inzwischen per Notstandsgesetzen zwangsverpflichtet wurden und als Berufsanfänger lediglich 623 Euro im Monat erhalten, auch nicht. Einige österreichische Mitglieder des globalisierungskritischen Netzwerks ATTAC sind dieser Frage einmal nachgegangen. Ihr Ergebnis: Mindestens drei Viertel der Hilfsgelder sind in den Finanzsektor geflossen, das heißt, die Kredite dienen vor allem der Stabilisierung von Banken und ähnlichen Konstrukten. Zum Beispiel wurden laut ­ATTAC-Recherche 58,2 Milliarden Euro für die Rekapitalisierung griechischer Geldinstitute ausgegeben. Die wurden damit offenbar meist vor dem Bankrott bewahrt. Wie auch hierzulande wurden also nicht die Besitzer der Banken für die Finanzkrise haftbar gemacht, deren Ursachen – z.B. massive Kreditspekulationen – ihnen zuvor erhebliche Gewinne beschert hatten, sondern die Steuerzahler. Ein noch größerer Betrag, 101,3 Milliarden Euro oder knapp die Hälfte der »Hilfsgelder«, landeten bei Griechenlands Gläubigern. Die hatten in den Jahren zuvor immer höhere Zinsen kassiert – eigentlich ein Zeichen dafür, daß diese Staatsanleihen risikobehaftet waren. Doch anstatt die Gläubiger dieses Risiko tragen zu lassen, das heißt, die Anleihen zu entwerten, leistete der griechische Staat mit den vermeintlichen Hilfsgeldern weiter brav den Schuldendienst. Mit weiteren 34,6 Milliarden Euro wurden die Gläubiger für einen groß gefeierten Schuldenschnitt gewonnen, der brachte ihnen letztlich kaum Verluste. Nur die griechischen Pensionsfonds mußten ordentlich bluten, das heißt, die Hellenen bezahlten mit ihren Renten für die Bankensanierung. Weitere 11,29 Milliarden Euro wurden nach ­ATTAC-Angaben für den Rückkauf beinahe wertloser Anleihen aufgewendet. Nur ein gutes Fünftel der Zahlungen aus dem »Rettungspaket« landete tatsächlich im Staatshaushalt des hochverschuldenen Euro-Landes. Aber auch diese Geld kommt nicht bei den griechischen Bürgern an. Knapp 35 Milliarden Euro hat der Staat nämlich nach Angaben der europäischen Statistikbehörde Eurostat vom zweiten Quartal 2010 bis zum vierten Quartal 2012 an Zinsen gezahlt. 2010 und 2011 flossen außerdem insgesamt 10,2 Milliarden Euro in den Militärhaushalt. Nach Informationen des Trans National Institutes in Amsterdam haben die Regierungen in Berlin und Paris Athen unter Druck gesetzt, diesen Etatposten nicht zu kürzen. Dasselbe Institut stellte in einem kürzlich veröffentlichten Bericht über Militärausgaben, Krise und Korruption fest, daß Griechenland in den vergangenen vier Jahrzehnten gemessen an seiner Wirtschaftskraft meist der größte Käufer von Rüstungsgütern gewesen sei. Der Anteil des Militärhaushaltes am Bruttosozialprodukt sei annähernd doppelt so hoch wie im EU-Durchschnitt.

Entsprechend vernichtend ist das Resümee von Lisa Mittendrein, die die kleine ATTAC-Studie miterstellte: »Das Ziel der politischen Eliten ist nicht die Rettung der griechischen Bevölkerung, sondern die Rettung des Finanzsektors«. Hunderte Milliarden Euro aus öffentlichen Geldern seien eingesetzt worden, »um Banken und andere Finanzakteure und vor allem deren Eigentümer vor den Folgen der von ihnen verursachten Finanzkrise zu retten«. Von Hilfe für die Bürger dort könne nicht die Rede sein. »Die griechische Bevölkerung muß die Rettung von Banken und Gläubigern vielmehr mit einer brutalen Kürzungspolitik bezahlen, die die bekannten katastrophalen sozialen Folgen hat.« Interessantes Detail am Rande, das ebenfalls von den ATTAC-Autoren ausgegraben wurde: Bei der EFSF, der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität, sind zwölf Personen angestellt. Aufgabe der EFSF ist es, den größeren Teil der sogenannten Griechenlandhilfe bei den EU-Mitgliedern einzusammeln – auch Athen wird zur Kasse gebeten, das Land selbst zahlte bisher 0,9 Milliarden Euro ein – und es dann mit den zahlreichen Auflagen, wie der Privatisierung von Wasserbetrieben, der Absenkung des Mindestlohnes oder der Schließung von Krankenhäusern versehen, an den griechischen Staat auszuzahlen. 2011 hatte die EFSF Personalkosten in Höhe von 3,1 Millionen Euro, das heißt, ihre zwölf Mitarbeiter verdienten im Schnitt 258000 Euro im Jahr. Das sind die Leute, die den Griechen einen Mindestlohn von monatlich 580 Euro (brutto) vorschreiben. EFSF-Chef Klaus Regeling, Jahresgehalt vermutlich 324000 Euro plus Zulagen, hat im Rahmen seiner bisherigen Karriere bereits für die Bundesregierung, den Hedgefonds Moore Capital Strategy Group sowie den Hedgefonds Winton Futures Fund Ltd. gearbeitet. »Unsere Ergebnisse machen deutlich, daß das Hauptziel der Krisenpolitik seit 2008 darin besteht, die Vermögen der Reichsten zu schützen«, faßt Autorin Mittendrein zusammen. »Die Politik nimmt enorme Arbeitslosigkeit, Armut und Not in Kauf – um einen Finanzsektor zu retten, der nicht zu retten ist.« Bedenklich sei zudem, daß die Verantwortlichen ihren Umgang mit öffentlichen Mitteln kaum dokumentieren. »Es ist ein Skandal, daß die EU-Kommission zwar Hunderte Seiten an Berichten veröffentlicht, aber nirgendwo auflistet, wofür das Geld konkret verwendet wurde«, so Mittendrein.

Die Ergebnisse im Detail:

  • 58,2 Milliarden (28,1 Prozent) wurden für die Rekapitalisierung griechischer Banken verwendet – anstatt den zu großen und maroden Sektor nachhaltig umzustrukturieren und die Eigentümer der Banken für deren Verluste haften zu lassen.
  • 101,3 Milliarden (49 Prozent) kamen Gläubigern des griechischen Staats zugute. Davon wurden 55,44 Milliarden verwendet, um auslaufende Staatsanleihen zu bedienen – anstatt die Gläubiger das Risiko tragen zu lassen, für das sie zuvor hohe Zinsen kassiert hatten. Weitere 34,6 Milliarden dienten dazu, die Gläubiger für den Schuldenschnitt im März 2012 zu gewinnen. 11,29 Milliarden wurden im Dezember 2012 für einen Schuldenrückkauf eingesetzt, bei dem der griechische Staat Gläubiger beinahe wertlose Anleihen abkaufte.
  • 46,6 Milliarden (22,5 Prozent) flossen in den griechischen Staatshaushalt oder konnten nicht eindeutig zugeordnet werden.
  • 0,9 Milliarden (0,4 Prozent) gingen als griechischer Beitrag an den neuen Rettungsschirm ESM.

Weitere bizarre Details:

Die Attac-Recherche hat zudem weitere bizarre Details über die sogenannte „Griechenland-Rettung“ ans Licht gebracht:

  • Mehrmals brachen EU und IWF ihre eigenen Ankündigungen und hielten zugesagte Teilzahlungen wochen- bis monatelang zurück, um Druck auf die griechische Demokratie auszuüben: im Herbst 2011, um eine Volksabstimmung über die Austeritätspolitik zu verhindern, und im Mai/Juni 2012, um die Siegeschancen der Troika-freundlichen Parteien bei den Parlamentswahlen zu erhöhen. Mit dem Zurückhalten zugesagter Gelder zwingt die Troika die griechische Regierung, kurzfristige Anleihen auszugeben, um den unmittelbar drohenden Staatsbankrott zu vermeiden. Da diese nur wenige Wochen oder Monate laufenden „Treasury Bills“ hochverzinst sind, steigen damit die griechischen Staatsschulden und die Gewinne der Geldgeber. Das ist ein weiterer Beleg dafür, dass der Schuldenabbau nicht das Hauptziel der Troika ist, sondern primär ein Vorwand, um die Zerstörung von Sozialstaat und ArbeitnehmerInnenrechten voranzutreiben.
  • Eine Tranche im Umfang von 1 Milliarden Euro, die Griechenland im Juni 2012 von der EFSF erhielt, diente primär dazu, die griechische Pflichteinlage in den EFSF-Nachfolger ESM zu finanzieren. Die EFSF finanzierte also ihren eigenen Nachfolger – aber nicht direkt, sondern unter Erhöhung des griechischen Schuldenstands.
  • Klaus Regling, Vorsitzender von EFSF und ESM, hat in seiner Karriere mehrfach zwischen Politik und Finanzsektor hin- und hergewechselt. Vor dieser Tätigkeit arbeitete er abwechselnd für die deutsche Bundesregierung, den Hedgefonds Moore Capital Strategy Group, die Generaldirektion für wirtschaftliche und finanzielle Angelegenheiten in der Europäischen Kommission und den Hedgefonds Winton Futures Fund Ltd. Er steht damit symbolisch für die Verflechtung von Finanzmärkten und Politik, die mitverantwortlich dafür ist, dass die EU-Krisenpolitik primär auf die Rettung des Finanzsektors abzielt.
  • Laut Geschäftsbericht gab die EFSF 2011 rund 3,1 Mio. Euro für Personalkosten aus. In diesem Jahr arbeiteten Medienberichten zufolge 12 Personen für die EFSF. Im Schnitt wurden also 258.000 Euro pro Mitarbeiter ausgegeben. EFSF-Vorsitzender Klaus Regling verdient mutmaßlich 324.000 Euro plus Zulagen im Jahr. Menschen mit Einkommen in dieser Größenordnung verwalten eine Politik, die in Griechenland den Mindestlohn auf 580 Euro brutto pro Monat (510 für Jugendliche) gesenkt hat.

Quelle: attac Austria; http://www.attac.at/news/detailansicht/datum/2013/06/17/griechenland-rettung.html

Originalartikel AG Friedensforschung 

Die Euro-Gruppe plant, die europäischen Banken-Rettungen über den ESM abzuwickeln. Demnach soll der deutsche Steuerzahler für alle Banken-Rettungen in Europa haften. Die Euro-Zone will das Modell erstmals mit den griechischen Bank-Krediten ausprobieren. So werden die Defizite der Süd-Staaten künstlich gesenkt. Das Risiko trägt der deutsche Steuerzahler. Der Bundestag hat bei dem Plan keinerlei Mitsprache.

Die Euro-Retter haben erkannt, dass eine europäische Banken-Union für die Rettung der gefährdeten Banken in Südeuropa zu spät kommen dürfte. Daher soll der europäische Rettungsschirm ESM, in den die Euro-Länder 500 Milliarden Euro einzuzahlen haben, die Funktion eines europäischen Banken-Rettungsfonds übernehmen. Der Euro-Gruppenführer Jeroen Dijsselbloem sagte in Athen, dass diese Sache „sehr sensibel“ sei und wollte daher nicht öffentlich darüber diskutieren. Doch ausgerechnet in Athen hat Dijsselbloem die Katzen aus dem Sack gelassen. Die Griechen haben der EU nämlich mitgeteilt, dass sie ohne einen weiteren Schuldenschnitt ihr Haushalts-Defizit nicht annähernd in jene Region drücken können, die die Maastricht-Verträge vorsehen. Um die Brisanz des Themas zu kaschieren, sagte Dijesselbloem bei seinem Besuch in Athen, dass es einen weiteren Schuldenschnitt für Griechenland frühestens im April 2014 geben werde. Die Botschaft wurde in der europäischen Öffentlichkeit dankbar weitergetragen. Die Griechen brauchen jedoch schon früher Entlastung. Daher arbeitet die Euro-Zone an einem Geheimplan, demzufolge die 48,2 Milliarden Euro, die die Griechen zur Rekapitalisierung ihrer Banken erhalten haben, aus dem griechischen Haushalts-Defizit herausgerechnet werden sollen. Dijsselbloem schloss ausdrücklich nicht aus, dass die 48.2 Milliarden Euro beim ESM verbucht werden könnten. Die endgültige Entscheidung will die EU beim nächsten Gipfel am 20. Juni treffen. Bis dahin soll die Angelegenheit am besten unter der Decke bleiben. Denn die Idee ist brisant. Und sie dürfte für den deutschen Steuerzahler teuer werden. Mit der Umschuldung der griechischen Banken-Rettungskredite wäre den Euro-Rettern ein aus ihrer Sicht cleverer Schachzug gelungen: Das griechische Staatsdefizit wäre mit einem Schlag geringer. Die Kommunikation in die Märkte soll durch die entsprechende Positiv-Propaganda orchestriert werden. Dijesselblom gab in Athen schon einmal eine erste Kostprobe und sagte: „Wir haben die ersten Zeichen einer wirtschaftlichen Erholung. Die Wirtschaft wird sich im kommenden Jahr erholen.“ Angesichts der weiter explodierenden Jugendarbeitslosigkeit ist dies eine aberwitzige Beurteilung. Sie soll jedoch dazu dienen, den Bürgern Europas den Eindruck zu geben, dass die Euro-Rettungsprogramme eine einzige Erfolgsgeschichte sind.

Für die Euro-Retter hätte die Verschiebung der Kredite für die Banken-Rettung außerdem den Vorteil, dass die nationalen Parlamente keinerlei Zustimmungs-Möglichkeiten mehr haben. Denn der ESM ist seiner Struktur nach ein völlig autonomes Vehikel. Der ESM-Vertrag sieht vor, dass das Direktorium des ESM das einzige Gremium ist, das wirklich weiß, was mit dem Geld geschieht. Informations-Pflichten sind nicht vorgesehen. Die ESM-Manager agieren im außerrechtlichen Raum. Sie unterliegen keiner nationalen Jurisdiktion, können also für ihre Entscheidungen nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Transparenz ist ausdrücklich nicht vorgesehen. Selbst die Wirtschaftsprüfer erhalten nur einen eingeschränkten Einblick in die Operationen des ESM. Auch die deutsch-französische Einigung zur europäischen Banken-Rettung folgt diesem Ansatz. Ein französischer Verhandlungsteilnehmer sagte der FT, dass Frankreich glücklich darüber sei, die Zustimmung Angela Merkels zur Banken-Rettung über den ESM gewonnen zu haben. Der ESM soll als eine Art „offizieller Reservefonds“ eingesetzt werden, auf den die Euro-Staaten Zugriff haben, wenn sie eine Banken-Rettung auf nationaler Ebene nicht stemmen können. Angela Merkel und Wolfgang Schäuble hatten bisher dem Deutschen Bundestag versichert, dass der ESM nicht zur direkten Banken-Rettung eingesetzt werden dürfe. Daher waren die 80 Milliarden Euro für die spanischen Banken auch zunächst im spanischen Haushalt als Kredit verbucht worden. Allerdings hatten die Spanier bereits den Vorteil, dass die Genehmigung der Kredite an keinerlei Auflagen gekoppelt waren. Das ist auch für die Franzosen wichtig: Paris wird niemals die Troika als Aufpasser im Land akzeptieren. Die heimliche Umschuldung Griechenlands könnte dann als Blaupause dienen, wie Banken-Rettungen in Europa ablaufen. Wie in Zypern wird es eine Zwangsabgabe für alle Sparer geben. Das kann speziell in Frankreich kritisch werden. Vor allem aber würde ein Haircut bei den französischen Sparern nicht reichen, um die großen französischen Banken zu retten. Weil es aber noch keine gemeinsame europäische Einlagensicherung gibt, bietet sich der ESM als, wie die Technokraten es nennen, „public backstop“ an. Die Kredite werden an das jeweilige Land vergeben und rückwirkend beim ESM verbucht. Damit würde nicht der deutsche Sparer an den Bankenrettungen in Italien oder Frankreich beteiligt, sondern der deutsche Steuerzahler.

Da die Gelder für den ESM bereits beschlossen sind und nach ESM-Gesetz auch immer wieder neue Gelder von den Staaten abgefordert werden können, soll der ESM also die Löcher stopfen, die die Euro-Retter mit der Banken-Union nicht rechtzeitig stopfen können. Dieses Vorgehen ist auch deshalb nötig geworden, weil die EZB steigenden Druck verspürt: Der deutsche EZB-Mann Jörg Asmussen und der Luxemburger Yves Mersch sprachen sich gegen weitergehende Staats-Finanzierungen aus. Bei der EZB fürchtet man, dass das Bundesverfassungsgericht einer exzessiven Rettungspolitik einen Riegel vorschieben könnte. Zwei ehemalige Verfassungsrichter haben massive rechtliche Bedenken angemeldet. Ein Schuldenschnitt in Griechenland wäre für die EZB sehr unangenehm: Er würde erstmals reale Verluste für die Kredite bedeuten, die Deutschland an Griechenland vergeben hat. Beim ESM besteht diese Gefahr nicht: Was er bilanziert, entzieht sich der Mitwirkung und Kenntnis der Parlamente. Die Öffentlichkeit wird davon nie die Details zu Gesicht bekommen – auch nicht, wenn Kredite rückwirkend vom EFSF auf den ESM umgeschuldet werden. Die Euro-Finanzminister gehen offenbar davon aus, dass die 500 Milliarden Euro aus dem ESM reichen, um die europäischen Banken zu retten. Die Krise bei den Banken hat sich jedoch in den vergangenen Monaten deutlich verschärft, wie Bundesbank-Präsident Jens Weidmann neulich erklärt hatte (hier). Demnach gewinnen die etwas in Vergessenheit geratenen Zahlen des IWF neue Plausibilität. Der IWF hatte vor einem Jahr gesagt, dass der ESM eher 2 Billionen Euro an „Feuerkraft“ habe müsse. Für die erste Not hoffen EU, IWF und EZB jedoch, mit einer teilweisen Plünderung des ESM das Auslangen zu finden. Die Bundesregierung möchte auf jeden Fall bis zur Bundestagswahl im Herbst Zeit gewinnen. So erklärt sich auch die Wandlung von Jörg Asmussen zum Hardliner in Sachen Zurückhaltung. Asmussen dürfte von Berlin angewiesen worden sein, bis zum September auf die Bremse zu treten. Der EZB-Mann und ehemalige Rettungs-Experte aus dem Bundesfinanzministerium war neulich seinem Chef Mario Draghi spektakulär in den Rücken gefallen: Dieser hatte die Möglichkeit von sogenannten „Asset Based Securities“ (ABS) ins Gespräch gebracht, also die direkte Kreditvergabe durch die EZB an Unternehmen. Asmussen sagte, dass man aus der Finanzkrise gelernt haben sollte, dass ABS eine höchst riskante Sache seien. Als Staatssekretär im Finanzministerium hatte Asmussen noch im Jahr 2006 der ABS-Lobby True-Sales-Initiative (TSI) einen Freibrief ausgestellt und die Instrumente als besonders innovativ gepriesen (mehr zu dieser bemerkenswerten Verflechtung – hier). Im Herbst tritt Asmussen als Keynote-Speaker bei dieser Lobby-Gruppe auf. Ihm könnte durch den EU-Geheimplan die Peinlichkeit erspart bleiben, dass er nun gegen Instrument auftreten muss, dessen Einführung er noch vor wenigen Jahren als besonders empfehlenswert bezeichnet hatte. Nach der Bundestags-Wahl darf sich der deutsche Steuerzahler auf neue kreative Vorschläge freuen. Unkreativ sind die zu erwartenden Ideen nur in einer Hinsicht: Die Rechnung wird immer von den Deutschen bezahlt – auch bei der Banken-Rettung. Solange die Konstruktionen kompliziert genug sind, werden die Zahler davon nichts merken. Das nennt sich dann Staatsräson. Und die darf seit Jahrhunderten nicht hinterfragt werden.

Originalartikel Deutsche Wirtschafts Nachrichten

Das Bundesverfassungsgericht muss sich mit dem Krisenhilfen der EZB beschäftigten. Egal wie die Karlsruher Richter entscheiden – die Euro-Rettung wird kein gutes Ende nehmen
 
Viele Gegner der „Euro-Rettung“ setzen ihre Hoffnungen auf ein Urteil aus Karlsruhe, das der Europäischen Zentralbank (EZB) den Aufkauf von Staatsanleihen untersagen soll. Dieser Wunsch ist nachvollziehbar, entspringt der Erwartungshaltung an eine seriöse Geldpolitik, richtet sich aber doch nur gegen ein Symptom falscher Politik unter vielen. Egal, wie Karlsruhe entscheidet, es wird sich am Weg, den die Mächtigen Europas in Brüsseler Verhandlungssälen vereinbart haben, nichts wirklich ändern. Und der als notorisch „integrationsfreundlich“ bekannte Europäische Gerichtshof (EuGH) würde – sollte ihm der Fall vorgelegt werden – der EZB mit hoher Wahrscheinlich einen Persilschein ausstellen. Seit nunmehr über drei Jahren wird – glaubt man den Ausführungen der handelnden Politiker – unsere Währung gerettet. Und gerade in Deutschland sind noch viele angesichts relativ niedriger Arbeitslosigkeit und Inflationsraten überzeugt, dass wir damit auf einem guten Weg sind. Doch der Schein trügt. Warum wird die „Euro-Rettung“ kein gutes Ende nehmen?
 
1. Die südlichen Euro-Länder sind überschuldet und nicht wettbewerbsfähig
Die Länder des südlichen Teils der Eurozone haben zwei Probleme: Zum einen ist ihre Wettbewerbsfähigkeit unzureichend, das heißt, ihre Produkte sind zu teuer. Sie haben über Jahre mehr im- als exportiert. Zweitens sind sie überschuldet. Die Überschuldung war die Folge davon, dass man den eigenen Lebensstandard nicht der eigenen Leistungsfähigkeit anpassen wollte, sondern auf Pump konsumierte. Bisher ist keines dieser beiden Probleme trotz leichter Verbesserungen bei der Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig gelöst. Griechenland hat seine Gläubiger bereits um rund 100 Milliarden ärmer gemacht! Soviel haben die Gläubiger dem Land bereits schenken müssen und trotzdem kommt es auf keinen grünen Zweig. Die Schuldentürme wachsen weiter, zunehmend verbürgt durch die Steuerzahler im Norden der Eurozone. Wie wir vom Spielen mit Bauklötzen als Kinder wissen sollten, richten umfallende Türme einen umso größeren Schaden an je höher sie sind!
 
2. Es droht eine Transferunion
Wenn unterschiedlich wettbewerbsfähige Länder eine Währungsunion gründen, gibt es nur zwei realistische Möglichkeiten: Entweder bricht eine solche Gemeinschaft wegen divergierender Fiskalpolitik früher oder später auseinander oder sie wird zur (faktischen) Transferunion, in der die wirtschaftlich Stärkeren für die Schwächeren aufkommen. Scheitern oder Transfer ist die logische Konsequenz. Bei der deutsch-deutschen Währungsunion 1990 war die zweite Variante von vorne herein klar und wurde trotz Murren mancher in Westdeutschland von einer breiten Mehrheit mitgetragen. Beim Euro wurde den Menschen ausdrücklich das Gegenteil versprochen. So hieß es damals im vom Steuerzahler finanzierten „Ratgeber Euro“ der Aktionsgemeinschaft aus Bundesregierung, EU-Kommission und Europäischem Parlament: „Was aber ist, wenn einzelne Teilnehmer (…) aus der Stabilitätsgemeinschaft ausbrechen und in die alte Verschuldungsmentalität zurückfallen? Diese Furcht ist unbegründet, denn der Maastrichter Vertrag schlägt hier fest Pflöcke ein, die Stabilitätsgemeinschaft wird sozusagen rechtsverbindlich eingezäunt.“ Das liest sich heute wie blanker Hohn. Faktisch sind wir entgegen der damaligen Versprechen und vertraglichen Regelungen durch die Entscheidungen der „Euro-Rettung“ seit 2010 in eine Haftungs- und Transferunion gezwungen geworden.
 
3. Die Transferunion schadet dem Wettbewerb
Gerne wird dieser Weg so begründet: Dadurch, dass wir die Eurozone „um jeden Preis“ zusammenhalten, sind wir nach außen wettbewerbsfähiger und stärker. Das genaue Gegenteil trifft jedoch zu. Denn der Euro Verschiebebahnhof ökonomischer Leistungen führt zu Fehlanreizen. Wenn es leichter ist, Wohlstand durch Transfer als durch eigene Leistung zu erhalten, dann sinkt die Leistungsbereitschaft insgesamt. Wer innerhalb einer Gemeinschaft Wettbewerb ausschaltet, die Lasten aus Fehlverhalten (Verschuldungsorgie im Süden) anderen (Steuerzahlern und Sparern des Nordens) auflädt, wird Wettbewerbsfähigkeit nach außen ebenfalls einbüßen. Eine Staatengemeinschaft wird nur dann nach außen erfolgreich auf den Weltmärkten agieren können, wenn sie im Inneren auf Wettbewerb setzt. Dazu gehört zentral ein Grundprinzip der Sozialen Marktwirtschaft, dass die Zusammengehörigkeit von Entscheidung und Haftung nicht nur für Unternehmen, sondern auch für ganze Volkswirtschaften gelten muss. In der Eurozone ist das nun im Grunde abgeschafft mit negativen Folgen für unsere Wettbewerbsfähigkeit nach außen. Begrüßt deswegen die chinesische Regierung die „Euro-Rettung“ so demonstrativ?
 
4. Die Rettung schadet der Stärke des Euros
Nicht der Euro als Währung wird gerettet, sondern die Zusammensetzung der Eurozone. Das krampfhafte Festhalten an der Zusammensetzung der Eurozone stärkt nicht den Wert des Euros, sondern schwächt ihn. Hätte Griechenland die Eurozone 2010 verlassen (und wären Hellas dann mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere wirtschaftlich schwächere Länder gefolgt), dann wäre der Euro heute eine wertvollere Währung. Zur Veranschaulichung: Hätten die wirtschaftlich schwächeren Bundesländer Saarland und Bremen die Bundesrepublik 1985 verlassen, wäre der Wert der Deutschen Mark dadurch nicht geschwächt, sondern gestärkt worden. Sowenig es einst Aufgabe der Bundesbank war, die Bundesrepublik Deutschland zusammenzuhalten, kann es Aufgabe der EZB sein, die Eurozone zusammenzuhalten. Obendrein: Echte Unabhängigkeit der EZB darf angezweifelt werden, weil bei einem Zusammenbruch der Eurozone die EZB arbeitslos würde. Wer um seine Existenz kämpfen muss, kann nicht unabhängig sein. Und die Kernaufgabe der EZB gemäß Verträgen und Statuten bleibt einzig und allein die Preisniveaustabilität, auch mittel- und langfristig.
 
5. Die Euro-Rettung überfordert Deutschland
Aber Deutschland gewinne doch durch den Euro, weil wir so viel exportieren können, heißt es von den Befürwortern der „Euro-Rettung“. Die jüngste Studie der Bertelsmann-Stiftung „Vorteile Deutschlands durch die Währungsunion“ (2013) bläst ins gleiche Horn und sieht ohne den Euro die deutsche Wirtschaft jedes Jahr um rund 0,5 Prozentpunkte niedriger wachsen. Mag sein, das wären rund 13 Milliarden Euro weniger Wertschöpfung pro Jahr. Doch was ist dieser Betrag schon im Vergleich zur deutschen Haftung aus der „Euro-Rettung“ laut Ifo-Haftungspegel von derzeit etwas über 650 Milliarden Euro? Wir haften also derzeit mit dem 50-fachen des von der Bertelsmann-Stiftung erwarteten jährlichen Wachstumsverlustes. Ein schlechtes Geschäft für Deutschland. Und interessanterweise taucht in dieser Studie das Wort „Freizeit“ nicht auf. Ökonomen wissen, dass produktive Tätigkeit zu Lasten von Freizeit geht: Die Opportunitätskosten von Arbeit sind unter anderem der entgangene Nutzen der Freizeit… Also lautet die Lösung: Lieber weniger arbeiten, damit weniger produzieren und exportieren als am Ende den ersparten Fleiß der harten Arbeit durch höhere Steuern, Schuldenschnitte, Vermögensabgaben, Zwangsanleihen oder Inflation im „Nirwana der Euro-Religion“ verschwinden zu sehen. Denn die Exportwut der Deutschen ist schon krankhaft. Und dauerhaft krankhaft zu sein ist extrem schädlich. Kein Land kann letztlich vom durch eigenen Kapitalexport finanzierten Export profitieren. Wir verkaufen unsere Lebensleistung auf Kredit. Die deutsche Volkswirtschaft verhält sich wie ein Wirt, der seine Gäste dauerhaft anschreiben lässt. Natürlich hat dieser Wirt eine volle Bude. Seinen Konkurrenten nimmt er Geschäft weg. Die Leute kommen gerne und zechen viel. Der Haken ist nur: Wenn er eines Tages anfängt, seine Forderungen einzutreiben, wird er feststellen, dass viele Gäste nicht zahlen können oder wollen. Das Ende vom Lied: Der Wirt hat Lebensleistung verschenkt.
 
6. Der Euro spaltet die Völker Europas statt sie zu einen
Man kann sich die Eurozone wie ein Wohnhaus mit 17 Parteien vorstellen. Die haben friedlich zusammengelebt, Feste miteinander gefeiert etc. Dann kamen Schlaumeier aus Brüssel und haben gesagt: „Wenn ihr die Wohnungstüren aushängt und über ein gemeinsames Konto wirtschaftet, könnt ihr eure Lebensqualität noch mehr verbessern.“ Doch das Gegenteil trat ein: Einige begannen sich auf den Fleiß der anderen zu verlassen, die anderen ließen dann auch irgendwann nach, das Misstrauen untereinander stieg an, gegenseitig schob man sich die Schuld für die Misere zu. Am Ende gab es nur noch zwei Möglichkeiten: Entweder wird mit brutalen Mitteln die Hausgemeinschaft zusammengehalten (Zwangsvereinigung) oder sie fliegt auseinander. Übertragen heißt das: Mit jedem Tag, den die „Euro-Rettung“ länger dauert, wird ein auf Freiheit, Freiwilligkeit, ökonomischer Vernunft und Subsidiarität basierendes gemeinsames Europa unwahrscheinlicher. Denn entweder wird ein zentralistischer EU-Staat aufoktroyiert oder die europäische Integration scheitert. Beides ist nicht wünschenswert.
 
Zur Person: Professor Dr. Gerald Mann, Dipl.-Volkswirt, Dipl. sc. pol. Univ., Jahrgang 1968. Nach Abitur, Wehrdienst, Banklehre und erster Berufstätigkeit im Bankgeschäft studierte Mann Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und Politikwissenschaft an der Hochschule für Politik (HfP) in München. Anschließend wurde er Unternehmensanalyst in einer Großbank, dann Geschäftsführer und Berater im Verlagswesen. Er arbeitete als freiberuflicher Dozent und als Gastdozent in der VR China. Mann promovierte an der Universität der Bundeswehr in München über internationale Handelspolitik und absolvierte ein Zusatzstudium in Erwachsenpädagogik an der Hochschule für Philosophie München. Heute lehrt er Professor für Volkswirtschaftslehre und Studienleiter Bachelor an der FOM Hochschule in München. 2012 erhielt er den BCW-Stiftungspreis für exzellente Lehre.